Chronik/Österreich

Ärger über Helikopter-Eltern: "Eltern klagen wegen Kleinigkeiten"

Lehrergewerkschafter und SPÖ-Kärnten-Bildungssprecher Stefan Sandrieser versucht zu ergründen, welche Fehlentwicklungen es in den vergangenen 30 Jahren im Schulwesen gab. Welche Herausforderungen Lehrer meistern müssen. Und welche Lösungsansätze man in Zukunft verfolgen müsse, damit Eltern, Lehrer und Schüler wieder an einem Strang ziehen.

KURIER: Was hat sich in den vergangenen 30 Jahren im Schulwesen verändert?

Stefan Sandrieser: Vieles. Schule ist eben ein Spiegelbild der Gesellschaft. Generell möchte ich aber drei Dinge hervorheben. Klar ist natürlich, dass sich die Aufgabenverteilung im Hinblick auf die Erziehung der Kinder drastisch verschoben hat. Dadurch, dass heutzutage meist beide Eltern berufstätig sind, werden viele Erziehungsaufgaben der Eltern auf Schulen abgeschoben.

Weiters ist auffallend, dass übermäßiger und unkontrollierter Konsum sozialer Netzwerke ein gewisses Vakuum an adäquaten Vorbildern hinterlässt. Auch das Credo mancher Eltern nur mein Kind ist wichtig und alles andere herum ist mir egal führt zu einer gewissen Form des Egoismus, die uns immer weiter von einem gemeinsamen Weg zwischen Lehrern und Schülern abkommen lassen.

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Wie haben sich diese Entwicklungen auf die Kommunikation zwischen Lehrern und Eltern ausgewirkt?

Ein gewisser Verlust der Autorität von Lehrern ist evident. Eltern versuchen immer öfter, zu intervenieren, wenn es einmal schulisch nicht passt. Anstatt in den Dialog mit der Schule zu treten und gemeinsam zu der bestmöglichen Lösung für den Schüler zu gelangen, wird zuerst nach einem Schuldigen gesucht.

Manchmal hat es den Anschein, als wäre die Expertise der Schule von Eltern gar nicht mehr gefragt. Es gibt Fälle, in denen die Schule für Eltern nicht einmal der erste Ansprechpartner bei Problemen ist.

Über welche Kanäle werden Probleme noch kommuniziert?

Es gibt Eltern, die sich sofort an Medien oder gar die Politik wenden. Nicht selten wird auch der Rechtsweg gewählt, bevor man überhaupt mit den Verantwortlichen gesprochen hat

Sind Klagen gegen Lehrer in letzter Zeit häufiger geworden?

Eine stark steigende Tendenz dahingehend ist nicht von der Hand zu weisen. Wir bieten deshalb von der Gewerkschaft auch rechtliche Beratungen an, welche von vielen Kollegen immer stärker in Anspruch genommen werden.

Bedenklich ist, dass es sich meist um Kleinigkeiten handelt, welche sicher auch in einem Gespräch behoben werden könnten. Da kommt es sehr darauf an, welchen Typ Elternteil du vor dir sitzen hast.

Welche Art von Eltern gibt es da zum Beispiel?

Ich würde sagen, es gibt drei Arten von Eltern. Resignative, die sagen, mir ist der Schulerfolg meines Kindes egal – oder die einfach keine Zeit haben, sich mit Schulsachen auseinanderzusetzen. Meist kommen diese aus bildungsferneren Schichten.

Dann gibt es Eltern, mit denen gemeinsam gearbeitet werden kann und für das Wohl des Schülers Lösungen und Unterstützungsmöglichkeiten gefunden werden können.

Der dritte Typ sind die sogenannten Helikopter-Eltern. Diese wollen überall die Kontrolle behalten und ihrem Kind alle Hindernisse aus dem Weg räumen. Dabei agieren sie oft egoistisch und versuchen, alle Hebel in Bewegung zu setzten. Teilweise wird wirklich kompromisslos versucht, die eigenen Interessen durchzuboxen – und das ohne Rücksicht auf Verluste.

Wie beeinflusst dieses veränderte Umfeld den Schüler und sein Verhältnis zum Lehrer?

Das Standing des Lehrers ist nicht mehr dasselbe. Es kommt immer öfter zu distanzlosem, teils respektlosem Verhalten. Schüler sehen den Lehrerenden oft nicht mehr als Autoritätsperson an, weil es ihnen zu Hause teilweise so vorgelebt wird.

Ich geben Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie als Kind von Ihren Eltern zu einem Zahnarzt gebracht werden, die Mutter aber sagt – der kann ja nichts oder da müssen wir nächste Woche wieder hin – wie viel Vertrauen wird das Kind dann noch in diesen Zahnarzt haben?

Welche konkreten Lösungsansätze gibt es?

Die Achse zwischen Elternhaus und Schule muss wieder gelebt werden. Ebenso braucht es unbedingt Unterstützungspersonal für Lehrkräfte, die verhaltensauffällige Kinder oder große Klassen betreuen.