Jüdisches Leben in Graz: Lebensglück trotz Vertreibung und Shoah
„Das ist eine der allerwichtigsten und wunderbarsten Ausstellungen“, versichert Direktor Otto Hochreiter. „Es ist die erste Ausstellung, die sich explizit und ausschließlich mit jüdischer Kultur und Geschichte befasst.“ Am Dienstag wurde „Jüdisches Leben in Graz“ im „GrazMuseum“ eröffnet, ein Name, der ganz bewusst gewählt sei: Obwohl sie „naturgemäß von Willkür, Vertreibung, der Shoah und vielen anderen Katastrophen der Vergangenheit“ erzählen, zeige sie doch auch „Lebensmöglichkeiten und Lebensglück jüdischer Menschen in dieser Stadt“.
Die Schau von Kuratorin Martina Zerovnik teilt sich in fünf große Themenbereiche, die in jeweils einem Raum dargestellt sind. „Jüdisch!?“ zeigt die Religion und das jüdische Leben, auch mit Antworten auf vielleicht nie laut gestellte Fragen: Wie bleibt eine Kippa auf dem Kopf und welche Farben symbolisieren das Judentum? „Willkür“ führt zurück in das Mittelalter: Erstmals werden Juden 1261 in Graz urkundlich erwähnt, doch das Miteinander mit Christen obliegt der „Gunst der Herrschenden“, wie in der Ausstellung dargestellt wird.
Viele Stellen in diesem Raum bleiben leer, absichtlich, denn es gibt viele Lücken in der Überlieferung jüdischen Lebens zu jener Zeit – ausgenommen die dokumentierten Judenvertreibungen Mitte und gegen Ende des 15. Jahrhunderts unter Friedrich V und Maximilian I. Fast 400 Jahre lang gab es danach kein jüdisches Leben mehr in Graz. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts folgt der Wiederaufbau – „Gemeinschaft“ heißt der dritte Teil der Ausstellung. Ihr Höhepunkt ist 1892 die Errichtung der Synagoge, deren Zerstörung in „Verfolgung“ – Teil vier der Schau – 1938 mit den Novemberpogromen dargestellt wird.
Graz – schon vor dem März 1938 durch eine große Anzahl illegaler Nationalsozialisten antisemitisch eingestellt – erklärt sich im Frühjahr 1940 „judenfrei“: Vertreibung und Vernichtung, aber auch der Raub jüdischen Eigentums werden durch persönliche Familiengeschichten begreifbar dargestellt.
Mit dem fünften Teil „Vielfalt“ schließt sich der Kreis, 2000 wird die Synagoge wieder eröffnet. Sie wurde zum Teil mit Ziegeln des zerstörten Tempels errichtet, Modelle in dem Raum zeigen die alte und die neue Synagoge. Zwölf Grazer erzählen zudem in Videos über das aktuelle Leben in der kleinen jüdischen Gemeinde.