Chronik/Österreich

IGGÖ-Präsident: Wohnungen sollen zu Moscheen werden

Für die rund 700.000 Muslime in Österreich, für die diese Woche der Fastenmonat Ramadan beginnt, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Wie die Bundesregierung am Dienstag bekannt gab, sind ab 15. Mai wieder Gottesdienste erlaubt. Das schließt auch die bundesweit rund 350 Moscheen mit ein.

Die schlechte: Aufgrund des zu erwartenden Ansturms dürfte es im Ramadan noch keinen Vollbetrieb geben. Gemeinschaftsgebete sind aus Sicherheitsgründen nicht möglich.

Grünes Licht

Die zurzeit oft gestellte Frage, ob das rituelle Fasten von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, das am kommenden Freitag beginnt und bis 23. Mai dauert, während der Corona-Pandemie überhaupt empfehlenswert ist, hat die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) jedenfalls beantwortet. Wenig überraschend mit Ja.

Dabei beruft man sich auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese habe bis dato keine wissenschaftlichen Beweise dafür, "dass das Fasten das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus erhöhen würde, und ist daher der Meinung, dass gesunde Menschen während des diesjährigen Ramadan wie gewohnt fasten können".

Zu Hause beten

Vorsichtsmaßnahmen gibt es trotzdem. Um die Gläubigen sicher durch den Ramadan zu bringen, veröffentlichte die IGGÖ am Dienstag einen Leitfaden. Die wichtigsten Punkte: Laut IGGÖ-Präsident Ümit Vural sollen die Wohnungen der Gläubigen "zu Moscheen werden". Mit anderen Worten: Gebete und Fastenbrechen sind grundsätzlich in den eigenen vier Wänden zu verrichten. Und es wird kein traditionelles Fastenbrechen (Iftar) in Moscheen und Vereinen geben.

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Bis 15. Mai bleiben die Moscheen - genau wie Kirchen oder Synagogen - auf jeden Fall geschlossen. Danach soll es eine sukzessive Öffnung geben. Gemeinschaftsgebete könne man ob des zu erwartenden Andrangs während des Fastenmonats aber noch nicht verantworten, heißt es bei der IGGÖ. Nur Einzelgebete seien möglich.

Für die Zeit danach - wenn die Moscheen also wieder offen sind - kündigt Vural eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen an: Maskenpflicht, Desinfektionsmittel an den Eingängen, Mindestabstände zwischen den Betenden oder auch die Vorgabe, einen eigenen Gebetsteppich mitzubringen.

Für Verstimmung bei der Glaubensgemeinschaft sorgt der Umstand, dass man von der Freigabe der Gottesdienste mit 15. Mai erst durch die Pressekonferenz der Bundesregierung erfuhr.

Kommt IGGÖ-Mitgliedsbeitrag?

In Anbetracht der finanziellen Schwierigkeiten, in die die religiöse Infrastruktur der Muslime im Zuge der Corona-Krise geschlittert ist (wie berichtet, steht etwa ein Drittel der 350 Moscheegemeinden vor der Pleite, weil die Spenden ausbleiben), stellt der Präsident nun erneut einen Pflichtbeitrag für Gläubige zur Diskussion.

Dieser wäre aber "keine reine Moscheesteuer", heißt es aus der IGGÖ - weil er nicht ausschließlich der Bezahlung der Imame dienen würde.

Unter anderem würde das Geld auch in die Spitals-, Heeres- und Gefängnisseelsorge, in Deradikalisierung, Telefonseelsorge, eine eigene muslimische "Caritas", Beratung sowie diverse Sozialprojekte fließen. Zum Teil Angebote, für die bis dato das Geld fehlt. Aktuell wird die IGGÖ aus Abgaben der Kultusgemeinden bzw. Moscheegemeinden sowie Spenden finanziert.

Schwierige Diskussion

Die interne Diskussion um einen Mitgliedsbeitrag ist zwar nicht neu - kurz vor einer Lösung steht man trotzdem nicht. Nicht zuletzt, weil große Verbände in der IGGÖ Einfluss auf "ihre" Imame einbüßen würden, wenn diese plötzlich von der IGGÖ bezahlt würden.

Unklar ist weiters, wie hoch ein derartiger Beitrag überhaupt sein müsste; ob es ein Familienbeitrag wäre oder einer für jede/n einzelne/n; oder auch, ob es ein Fixbetrag wäre oder ein einkommensabhängiger.

Und auch IGGÖ-Austritte seien denkbar, meinen Beobachter. Im Islam gibt es anders als etwa bei der Katholischen Kirche keine institutionelle Pflichtabgabe, Muslime sind keine Zwangsgebühren wie den Kirchenbeitrag gewöhnt. Zudem werden in der muslimischen Gemeinde immer wieder Rufe nach einer Demokratisierung der IGGÖ laut: Nicht wenige kritisieren "Freunderlwirtschaft" in den obersten Gremien. Also sorgt auch die potenzielle Verteilung des Geldes für Spekulationen. 

Konsequenzen eines Austritts

Das Risiko, dass Leute austreten könnten, sieht man bei der Glaubensgemeinschaft zwar. Diese würden dann aber auch um Rechte umfallen, heißt es: etwa um die Möglichkeit zur Pilgerreise, zu einer islamischen Hochzeit oder um die Bescheinigungen fürs Bundesheer. Letztere ermöglichen es muslimischen Soldaten, halal zu essen, ungestört beten zu können - oder im Ramadan zu fasten.

Um kleinen Religionsgesellschaften wie Muslimen, Juden oder auch Altkatholiken während der Corona-Krise die finanzielle Last von den Schultern zu nehmen, fordert aktuell die Wiener "Migrantenliste" SÖZ (Solidarisches Österreich der Zukunft) eine Finanzspritze des Bundes. Die Liste um Parteigründer Hakan Gördü und Spitzenkandidatin Martha Bißmann tritt im Oktober zur Wien-Wahl an.