Rekord-Flut: Bangen in NÖ
Katastrophenalarm in Niederösterreich, leichte Entwarnung in Salzburg: Der Hochwasser-Schwerpunkt hat sich nach Osten verlagert. Tausende Menschen zittern in den Gemeinden und Bezirken an der Donau vor einer Jahrhundertflut. Während in Tirol die Aufräumarbeiten begonnen haben und in Salzburg nach einem ersten Durchatmen die Schäden sichtbar wurden, herrschten in Ober- und Niederösterreich Hoffen und Bangen. Die Pegel (siehe unten) der großen Flüsse - vor allem Inn und Donau - waren in den Nachmittagsstunden weiter im Steigen. Zu diesem Zeitpunkt standen einige Orte, zum Beispiel Melk (NÖ) bereits unter Wasser. Das Hochwasser hat außerdem eine Sperre der Donau für den Schiffsverkehr nach sich gezogen.
Pegelhöchststände Dienstagvormittag erwartet
„Wir liegen jetzt leicht unter der Prognose“, sagte Landesrat Stephan Pernkopf am Montag nach der Sitzung des Landeskrisenstabes. Im Zentrum der Beratungen in der Landeswarnzentrale in Tulln stand der gesamte Donauraum mit besonderem Augenmerk auf die Wachau. Nach derzeitigen Berechnungen würden wohl die Werte des Hochwassers von 2002 nicht erreicht. „Aber das sind Berechnungen. Unsere Alarmpläne bleiben auf eine 100-jährliches Hochwasser ausgerichtet und sind voll aufrecht“, versicherte Pernkopf. Bei den aktuellen Berechnungen waren die niederösterreichischen Experten übrigens weitgehend auf sich gestellt. Aufgrund technischer Probleme wurden am Montagvormittag keine Prognosewerte mehr aus Bayern gemeldet. „Wir haben also zu einfacheren Prognosemodellen gegriffen“, sagte Landeshydrologe Christian Labut Montagmittag. Nach wie vor sei man für ein 100-jährliches Hochwasser gerüstet. „Wir haben aber die berechtigte Hoffnung, dass diese Werte nicht ganz erreicht werden“, so Labut. Die Pegelhöchststände erwartete Labut bis Dienstagvormittag.
In Melk sind Teile der Altstadt bereits überflutet, ein ähnliches Bild zeigt sich in St. Valentin (Bezirk Amstetten). In den Gemeinden Granz und Marbach (Bezirk Melk) ist Zivilschutzalarm ausgelöst worden. Die Behörden forderten die Bewohner auf, ihre Häuser zu verlassen und ihre Fahrzeuge zu entfernen. Auch im Augebiet der Donau in Klosterneuburg und in der Katastralgemeinde Kritzendorf ersuchte die Feuerwehr die Bewohner, ihre Gebäude zu verlassen. Einige Bewohner weigern sich aber, berichtete der NÖ-Feuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner Montagvormittag im ORF. Als weiterhin angespannt galt am Montagnachmittag die Lage im Kremser Stadtteil Stein. Eine Evakuierung der Bewohner sei noch nicht vorgesehen, es seien jedoch entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen getroffen worden, war auf Anfrage im Magistrat zu erfahren.
Besonders dramatisch stellt sich die Situation in den Nachbarländern Deutschland und Tschechien dar. An der Donau wurde mittlerweile ein Wasserstand von 12,20 Metern überschritten. Mehr dazu lesen Sie hier.
Bundesheer bereit
Das Innenministerium richtete einen Krisenstab im Zusammenarbeit mit Außen-, Verteidigungs- und Umweltministerium sowie Bundeskanzleramt und Bundesfeuerwehr ein. Das Bundesheer ist bereits für einen möglichen Assistenzeinsatz in Niederösterreich gerüstet.
Donau steigt weiter
Die Pegel der Donau sind am Montag weiter im Steigen gewesen. Der Donau-Pegel Kienstock in der Wachau hat am Montagnachmittag die Zehn-Meter-Marke erreicht. Bis Dienstag soll die Donau bei Kienstock laut Prognose sogar auf 10,95 Meter steigen. Das wären fünf Zentimeter mehr als der beim Hochwasser am 14. August 2002 festgestellte Pegelhöchststand.
Bildergalerie: Muren und Hochwasser
Verkehr massiv beeinträchtigt
Durch das Hochwasser war der Straßen- und Bahnverkehr in halb Österreich massiv beeinträchtigt. Die Westbahnstrecke war seit Sonntag um 19 Uhr gesperrt, weil eine Überflutung der Ennsbrücke zwischen Amstetten und St. Valentin gedroht hatte. Montagvormittag wurde die Strecke zwischen Wien und Salzburg wieder freigegeben. Fahrgäste müssen aber mit Verspätungen rechnen. Reisen in Richtung Westen über Salzburg sind derzeit nicht möglich, weil die wichtige Korridorstrecke über Rosenheim in Bayern durch das Hochwasser stark beschädigt wurde.
Gesperrt war auch die Brennerbahn in Tirol: Wegen eines Murenabgangs im Gemeindegebiet von Gries am Brenner entgleiste in der Nacht auf Montag ein ÖBB-Zug der Rollenden-Landstrasse (RoLa). Nach Angaben der Polizei versuchte der Lokführer noch eine Notbremsung einzuleiten, konnte aber ein Auffahren der Lok auf die Erdmassen nicht mehr verhindern. Sie entgleiste mit beiden Vorderachsen. Verletzt wurde niemand.
Die Dauer der Sperre der Brennerbahnstrecke war vorläufig nicht absehbar. Tirol ist auf dem Schienenwege vorerst nicht erreichbar. Aufgrund von Streckenunterbrechungen rieten die ÖBB ihren Kunden, nicht notwendige Reisen zu verschieben. Mehr Informationen dazu bei der ÖBB-Streckeninformation.
Salzburg: Pegelstände gehen zurück
Im Bundesland Salzburg hat sich die Situation nach dem Hochwasser vom Sonntag mittlerweile beruhigt, die Aufräumarbeiten in den betroffenen Gebieten sind voll im Gange. "Die Lage entspannt sich langsam, von einem Normalzustand sind wir aber noch weit entfernt", so Norbert Altenhofer vom Referat Katastrophenschutz des Landes. "Die Durchfeuchtung des Bodens ist so massiv, das selbst kleine Niederschläge reichen, um Hangrutschungen und Murenabgänge auszulösen."
Die Pegelstände an Salzach und Saalach sind deutlich zurück gegangen, nachdem sie am Sonntag Rekordwerte erreicht hatten, die noch über jenen aus dem Jahr 2002 lagen. Einsatzkräfte waren am Montag entlang der Flüsse damit beschäftigt, unterspülte Bereiche abzusichern oder Schäden zu beheben. In der Stadt Salzburg musste etwa eine vom Wasser freigelegte Gasleitung mit Seilen an Bäumen abgesichert werden.
Aus dem Katastrophenfonds des Landes Salzburg werden in einem ersten Schritt vier Millionen Euro als Sofortmaßnahme für die Opfer des Hochwassers und der Murenabgänge bereitgestellt. Das sagte der Sprecher des ressortzuständigen VP-Landesrates Sepp Eisl am Montag zur APA. In den Gemeinden würden Antragsformulare für die Geschädigten aufliegen.
Todesopfer im Pongau
Im Pongau war hingegen ein Todesopfer zu beklagen. Bei Aufräumarbeiten nach einem Erdrutsch wurde ein Bauer, 62, Sonntagmittag auf einem Güterweg in der Gemeinde St. Johann von einer zweiten Mure überrascht und samt seinem Traktor 150 Meter weit mitgerissen. Er konnte nur noch tot geborgen werden.
Am Nachmittag wurde in Filzmoos im Pongau eine 24-jährige Frau in ihrem Auto von Erdmassen über einen Hang gedrückt. Der Pkw blieb an Bäumen hängen. Die Lenkerin erlitt Verletzungen, konnte aber von den Einsatzkräften rechtzeitig gerettet werden.
Im Pinzgau waren mehr als 40 Muren abgegangen. Häuser mussten evakuiert werden, Straßen und Bahnlinien waren nicht mehr befahrbar, der Bezirk von der Umwelt abgeschnitten.
Keine Hoffnung dürfte mehr bestehen, die beiden in Taxenbach im Pinzgau vermissten Personen noch lebend zu finden. Die Suche nach einem Bauer, der mit seinem Traktor von einer Mure mitgerissen wurde, und einer Frau, die mit einem Auto in einen Bach gestürzt und nach dem Aussteigen mitgerissen wurde, lief auch am Montagnachmittag weiter auf Hochtouren.
Mehr als 3000 Einsatzkräfte der Feuerwehr und 150 Helfer des Roten Kreuzes befanden sich in Tirol im Einsatz. In St. Johann half zusätzlich das Bundesheer. In Kössen trat die Großache über die Ufer. Der Strom fiel aus, Ortsteile standen unter Wasser, Autos schwammen herum. Viele Bewohner flüchteten zu Verwandten, andere wurden in der Sporthalle und in einem Hotel untergebracht. „Wir stehen seit zwei Uhr Früh in höchster Alarmbereitschaft“, sagt Bürgermeister Stefan Mühlberger. Die Lage sei äußerst heikel: „Die Wasserrettung muss immer wieder Menschen aus ihren Häusern befreien.“
Vermisster Vorarlberger tot aufgefunden
Ein 58-jähriger Vorarlberger, nach dem seit Sonntag gesucht wurde, ist Montagvormittag tot aufgefunden worden. Der Mann hatte am Samstagabend eine Feier besucht, von der er nicht nach Hause zurückkehrte. Weil sein Heimweg am Koblacher Kanal in Mäder (Bezirk Feldkirch) entlangführte, wurde befürchtet, dass er in das Hochwasser führende Gewässer gestürzt ist. Am Montagvormittag gegen 10.40 Uhr wurde die Leiche des Mannes im Bereich des Ortsendes von Altach (Bezirk Feldkirch) entdeckt. Zur Todesursache des Mannes aus Götzis (Bezirk Feldkirch) gab es vorerst keine Angaben. Zunächst müsse die sanitätspolizeiliche Untersuchung abgewartet werden, hieß es seitens der Polizei. Der Mann dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach ertrunken sein.
In Vorarlberg scheint in Sachen Hochwasser das Gröbste überstanden zu sein. Landeshauptmann Markus Wallner gab am Sonntagabend Entwarnung. "Die erhöhte Alarmbereitschaft ist beendet", erklärte der Landeschef. Vorarlberg war vor allem von zahlreichen Murenabgängen und lokalen Überschwemmungen betroffen.
Steiermark: Gefahr durch Hochwasser akut
In der Steiermark war vor allem der Bezirk Liezen massiv von Überflutungen betroffen. Auch hier standen Hunderte Feuerwehren im Dauereinsatz. Die starken Regenfälle haben mittlerweile aber aufgehört und die Pegel der Enns und der Traun gingen wieder zurück. Die Gefahr durch Hochwasser sei jedoch weiterhin akut, erklärte Thomas Meier, Sprecher des steirischen Landesfeuerwehrverbandes.
Nähere Informationen zu Oberösterreich, Niederösterreich und Wien siehe unten.
Spenden
In Oberösterreich wurde zusätzlich zu den Mitteln aus dem Katastrophenfonds ein Spendenkonto - mit der Nummer 800003, der Bankleitzahl 54.000 und dem Verwendungszweck "Hochwasserhilfe OÖ 2013" - eingerichtet.
Das Land Niederösterreich hat bei der Hypo NÖ Landesbank ein Spendenkonto für die Opfer des aktuellen Hochwassers eingerichtet. Es lautet auf „Hochwasser 2013“, die Kontonummer ist 04455 014455, die Bankleitzahl 53000.
Die Caritas bittet um Spenden für die Opfer des Hochwassers über die Spendenkonten der Erste Bank, Kontonummer 01234560, Bankleitzahl 20111 sowie das Spendenkonto der PSK, Kontonummer 7.700.004, Bankleitzahl 60.000. Das Kennwort ist "Katastrophenfonds Österreich".
Auch die Diakonie hat ein Spendenkonto für die Opfer des Hochwassers eingerichtet. Gespendet werden kann online unter www.diakonie-katastrophenhilfe.at/spenden oder via Überweisung mit dem Kennwort "Hochwasser", PSK, Kontonummer 23 13 300, Bankleitzahl 60 000.
Das Rote Kreuz bat um Spenden und hat dafür ein Konto bei der Erste Bank mit dem Kennwort "Hochwasser" eingerichtet, mit der Kontonummer 40014400144 und der Bankleitzahl 20111.
Auch der ORF hat am Montag eine Hilfsaktion gestartet und ein Spendenkonto für die Opfer des Hochwassers eingerichtet. Spenden wurden unter der Kontonummer 400 144 001/00 bei der Erste Bank, Bankleitzahl 20111 erbeten.
Infos
Die aktuellsten Wetterprognosen finden Sie hier.
Einen Überblick über die Verkehrslage gibt es hier.
Aktuelle Streckeninformationen der ÖBB
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Video: Philipp Blüthl
Die Hochwasserkatastrophe hat auch auf die Wirtschaft der überfluteten Gebiete schwere Auswirkungen. Betroffene Unternehmen können die Möglichkeit der Kurzarbeit nutzen, weist das Arbeits- und Sozialministerium heute Montag auf eine Möglichkeit zur Entlastung hin. "Für Betriebe, die besonders von der derzeitigen Hochwasserkatastrophe betroffen sind, stellt die Arbeitsmarktpolitik vor allem in Form der Kurzarbeit kurzfristige Unterstützung zur Verfügung", unterstreicht Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer. Im Katastrophenfall werde alles "rasch und unkompliziert" abgewickelt, heißt es aus dem Ministerium auf APA-Anfrage.
Konkret geht es dabei um die normale Kurzarbeitshilfe, die auch bei sonstigen Schwierigkeiten eingesetzt werden kann. Dabei wird die Arbeitszeit der Arbeitnehmer reduziert, die entfallene Entlohnung wird großteils ausgeglichen. Zumindest 90 Prozent des Normallohns sollten die Beschäftigten bekommen, so das Ziel.
Wenn zum Beispiel die Arbeitszeit um 50 Prozent reduziert wird, zahlt das Arbeitsmarktservice (AMS) für die entfallene Hälfte das halbe Arbeitslosengeld als Kurzarbeitsunterstützung. Weitere Hilfen können von den Sozialpartnern vereinbart werden.
Bei Naturkatastrophen wie Hochwasser oder vergleichbaren Schadensereignissen ist die Verständigung des AMS unmittelbar nach Eintritt des Ereignisses und eine Vereinbarung auf betrieblicher Ebene erforderlich, betont das AMS.
Die Kosten sowie die budgetären Auswirkungen des Hochwassers sind in Österreich noch nicht abschätzbar, sagt Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). „Es wäre zu früh, über ein Schadensausmaß zu reden, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Umweltminister Nikolaus Berlakovich (beide ÖVP) am Montag. Gemeinsam mit den betroffenen Nachbarstaaten, werde man bei der EU um Unterstützung ansuchen. Der Krisenstab im Innenministerium tage ständig, sagte Innenministerin Johann Mikl-Leitner. Bundeskanzler Werner Faymann, Verteidigungsminister Gerald Klug und Staatssekretär Josef Ostermayer (alle SPÖ) habenMontagvormittag die vom Hochwasser schwer getroffene oberösterreichische Gemeinde Ebensee besucht.
Gemeinsam mit Bayern, der Slowakei und Ungarn habe man sich geeinigt, bei der EU um Unterstützung aus dem 2002 eingerichteten Hilfskatastrophenfonds anzusuchen, sagte Spindelegger. Er sprach von einer “unglaublichen Schadenssumme", die für Österreich zu erwarten sei. Das Hochwasser habe allerdings noch längst nicht seinen Höhepunkt erreicht. Die Situation sei noch “äußerst angespannt".
Dank an die Helfer
Der Bundeskanzler und der Verteidigungsminister nahmen an der morgendlichen Lagebesprechung der Einsatzkräfte von Bundesheer, Feuerwehr und Polizei im Gemeindeamt Ebensee teil. Sie konnten sich dabei ein umfassendes Bild über die derzeitige Lage machen.
„Wir werden die Betroffenen hier in Ebensee wie in ganz Österreich selbstverständlich beim Wiederaufbau unterstützen. Wir lassen niemanden im Stich“, sagte der Kanzler. Man agiere hier in enger Abstimmung mit den Ländern, um „schnell und unbürokratisch zu helfen“, so Faymann. „Die Helfer vor Ort leisten Großartiges. Der Dank gilt hier vor allem den Feuerwehren, der Polizei, den Soldaten des Bundesheeres und den vielen Freiwilligen, die rund um die Uhr im Einsatz sind“, sagten Faymann und Klug.
Bundesheer
„Derzeit unterstützt das Bundesheer mit rund 700 Soldaten die zivilen Einsatzkräfte in den Katastrophengebieten. Weitere 2000 Soldaten halten sich für Einsätze bereit“, sagte Verteidigungsminister Gerald Klug. Zusätzlich wurden 24 Hubschrauber des Bundesheeres für Erkundungs- und Evakuierungsflüge eingesetzt.
Kritik der Opposition
Naturgemäß setzt es von der Opposition auch Kritik am Hochwasserschutz. „Aus dem Jahrhunderthochwasser 2002 hat die Regierung nichts gelernt. Denn Schutzbauten werden auf die lange Bank geschoben, Umweltminister Berlakovich hat heuer sogar die Mittel gekürzt“, kritisiert Team Stronach Umweltsprecher Erich Tadler. Für ihn ist es „ein Skandal, dass Milliarden nach Zypern und in andere marode Länder fließen, während Österreicher wegen fehlender Schutzanlagen durch Murenabgänge und Hochwasser ihr Hab und Gut verlieren.“