Chronik/Österreich

Zeuge bei Hells-Angels-Prozess: "Dann bringen sie mich um"

Es war nur ein abendlicher Lokalbesuch in Oberösterreich - aber der hatte für einen Oberösterreicher massive Folgen. So massiv, dass er am Mittwoch bei seiner Autofahrt von Oberösterreich ins Landesgericht in Wien von der Polizei begleitet werden musste. Der Mann ist Zeuge bei einem Prozess gegen drei Mitglieder des Rockerclubs Hells Angels. Aussagen will er in deren Anwesenheit nicht. "Weil ich Angst habe", sagt er.

Er habe im Vorfeld eine Morddrohung bekommen. Mitten am Hauptplatz in Ried sei er von Hells Angels angesprochen worden: "Wenn ich bei der Verhandlung was sage, bringen sie mich um", erklärt der eingeschüchterte Zeuge. Zudem sollen auffällig oft Motorräder mit abgeklebten Kennzeichen an seinem Wohnort vorbeigefahren sein.

Den drei Angeklagten wird unter anderem Schutzgelderpressung vorgeworfen. Sie sollen im September des Vorjahres mit anderen Clubmitgliedern einem Lokal in Oberösterreich einen unvergesslichen Besuch abgestattet haben - am Ende lagen sowohl der Betriebsleiter als auch der DJ verletzt am Boden. Worum es ging, erfuhr der Zeuge später von einem Mitarbeiter: "Es ging um Drogen und Schutzgeld", teilte ihm dieser mit. 

Erinnerungslücken

Bei der Polizei schilderte der Zeuge zudem, dass einer der Rocker noch sagte: "Zahl, oder wir kommen immer wieder!" Daran kann sich der eingeschüchterte Mann plötzlich nicht mehr erinnern. Auch bei zwei der drei Angeklagten ist er sich plötzlich nicht mehr sicher. "Das ist gerade einmal ein Jahr her", ist der vorsitzende Richter irritiert. "Können Sie uns dafür eine Erklärung liefern?" - "Nein", meint der Mann. "Ich kann mir Sachen nicht lange merken."

Einzig, dass er von einem auffällig im Gesicht tätowierten Rocker beschimpft wurde, das hat er noch im Gedächtnis. "Ich habe AFFA (Angels forever, forever Angels, Anm.) zu ihm gesagt.  Da meinte er: Wenn ich nicht gleich die Pappn halte, krieg ich eine." Später habe ihn dieser Mann auch noch angerempelt, der Zeuge kam zu Sturz.

Doch der gesichtstätowierte Rocker (er ist hauptberuflich übrigens mäßig erfolgreicher Gangster-Rapper) bestreitet, an dem Abend überhaupt dabei gewesen zu sein. "Er hat ein lupenreines Alibi", meinte auch sein Anwalt Philipp Wolm am ersten Verhandlungstag. Der Mann habe mit seiner heimlichen Geliebten einen Wellness-Tag verbracht.

Voll tätowiert, deutscher Akzent

Doch auch eine weitere Zeugin will ihn im Lokal gesehen haben. "Ich war am Damen WC, da ist er gestanden und hat telefoniert", erinnert sich die Mitarbeiterin des Lokals. Sie habe ihn rausgeschickt, könne sich noch gut an ihn erinnern. "Voll tätowiert, deutscher Akzent." Als er ihr über eine Videoschaltung (die Frau sitzt im Landesgericht Ried, Anm.) gezeigt wird, ist sie sicher: "Ja, das ist er."

Gleich nach Eintreffen der rund 50 Hells Angels habe sie zum Betriebsleiter gesagt: "Das geht nicht gut." Sie habe vorsorglich die Messer weggeräumt und den Kolleginnen bei der Garderobe geraten: "Nehmt's die Kassa und versteckts euch. Gleich wird es brennen."

Die Frau behielt recht. Wenig später lagen Betriebsleiter und DJ schon am Boden. 

Erinnerungslücken Teil 2

Die beiden verprügelten Männer haben ein weniger gutes Gedächtnis als die Kollegin. "Es ist alles so schnell gegangen", sagt der eine. "An dem Abend war's ganz komisch, als hätt mir wer was ins Glas gegeben", der andere. Nach dem Angriff verzichtete man auf eine Anzeige bei der Polizei.

Fortsetzung der Verhandlung am Freitag. Dann sollen auch die Urteile fallen.