Haftung bei Rinder-Attacken: Tirol plant Kuh-Versicherung
Von Christian Willim
Die Vorbereitungen auf die heurige Almsaison laufen bereits. Ab Mai starten die Auftriebe in die heimischen Berge. Doch das erstinstanzliche Urteil in einem Zivilprozess, wonach ein Tiroler Bauer 490.000 Euro Wiedergutmachung an die Angehörigen einer von einer Kuh-Herde getöteten Wanderin leisten soll, sorgt für massive Verunsicherung in der heimischen Landwirtschaft.
Für Tirols Landeshauptmann Günther Platter und seinen Agrar-Landesrat Josef Geisler (VP) führt deshalb „an einer Versicherungslösung kein Weg vorbei“, wie sie im Vorfeld eines am Mittwoch in Innsbruck stattfindenden runden Tisches zu dem Urteil klarstellen.
Niemand, der nach bestem Wissen und Gewissen seine Tiere auf der Alm halte, „soll Gefahr laufen, in seiner Existenz bedroht zu sein oder sich gezwungen sehen, das Vieh im Stall zu lassen oder Wege zu sperren“, sagen die Landespolitiker.
Haftungszusage
Wie dieses Versicherungsmodell genau aussieht und ob das Land Tirol die alleinige Finanzierung übernimmt, ist noch offen. Die Vorarbeiten würden aber bereits auf Hochtouren laufen. Bauernvertreter in mehreren Bundesländern hatten, wie berichtet, gefordert, dass die öffentliche Hand Haftungszusagen übernimmt. Tirol könnte nun Modellcharakter bekommen.
Geisler verweist darauf, dass Tirol bereits Erfahrungen mit ähnlichen Versicherungsmodellen hat. So gibt es etwa eine Haftpflichtversicherung des Landes für Sportfunktionäre. Die soll verhindern, dass etwa Ehrenamtliche bei Unfällen im Rahmen von Sportveranstaltungen auf Schadenersatzforderungen sitzen bleiben.
Erfolgreiche Vorbilder
Und auch ein zentraler Konflikt um die Nutzung von Wegen in den Bergen wurde bereits vor über 20 Jahren mit einer Haftpflichtversicherung gelöst. Die sichert im Rahmen des Mountainbike-Modell Tirol Grundbesitzer ab, die dafür ihre Wege für die Radler freigeben. Auch der Rechtsschutz im Fall von Streitfällen ist gedeckt.
Nach dem erste Almbauern bereits die Sperren ihrer Flächen für Wanderer angekündigt haben, ist im Tourismusland Tirol nun erneut Feuer am Dach. 80 Prozent aller Sommerurlauber zieht es während ihres Tirol-Aufenthalts zum Wandern in die Berge. Es ist die wichtigste Freizeitaktivität. Die Almen sind ein Magnet im Angebot. Die Bauern wiederum profitieren hingegen selbst oft von den Touristen – etwa als Vermieter von Ferienwohnungen oder als Hüttenwirte.
Es sei wichtig, „dass wir alles unternehmen, damit die Bauern das Vieh in der kommenden Almsaison auftreiben und die Tiroler Almen für Einheimische und Gäste offen bleiben“, sagt daher auch Landesrat Geisler wenig überraschend.
Tourismus zahlt mit
Das Mountainbike-Modell könnte als Vorlage für die Finanzierung der Kuh-Versicherung dienen. Denn die Haftpflichtversicherung für die Biker bezahlt das Land aus dem Tourismusförderungsfonds. Und der wird wiederum aus Beiträgen der Tourismusbetriebe gespeist. Indirekt wird die freie Fahrt für Mountainbiker also durch den Tourismus finanziert. Der kann seinen Gästen inzwischen ein Bike-Wegenetz mit 5900 Kilometern Strecke präsentieren.
„Es geht um den Fortbestand und die Sicherung der Alm- und Freizeitwirtschaft für Einheimische und Gäste mit all ihren wichtigen Leistungen für unser Land“, sagt Platter vor dem heutigen Gipfel. An dem nehmen neben ihm und Geisler auch Vertreter der Landwirtschaft, des Tourismus und des Alpenvereins teil. Alle eint, dass sie Verständnis für die Sorgen der Almbauern, aber auch kein Interesse an Wegsperren in den Bergen haben.
Die Zeit für eine Lösung drängt. In rund zwei Monaten starten planmäßig die Almauftriebe. Ab da teilen sich Vieh und Mensch wieder die Natur. Eine Entscheidung über die Berufung des zu einem ruinösen Schadenersatz verurteilten Bauern am Oberlandesgericht Innsbruck ist bis zum Saisonstart noch nicht zu erwarten. Der Rechtsstreit könnte zudem vor dem Höchstgericht enden. Ausgang ungewiss.