Graz schaut mehr auf Fußgänger und will den Bürgern Beine machen
Ein Fünftel der Grazer tut es bereits – Alltagswege zu Fuß erledigen. Doch die Politik will mehr Bürgern Beine machen: Ab heute, Freitag, hat die Stadt Graz eine offizielle „Fußgänger:Innenbeauftragte“, wie der offizielle Titel Renate Platzers heißt.
Die ausgebildete Bauingenieurin beschreibt sich selbst als „aktiv mobile Mutter zweier Kleinkinder“, die die täglichen Herausforderungen im Grazer Fußwegenetz aus privater Erfahrung kenne, nicht nur aus ihrer beruflichen Tätigkeit als Verkehrsplanerin. „Bereits in der bisherigen Tätigkeit in der Verkehrsplanung ist der Wunsch in mir größer geworden, mehr für die Fußgänger umzusetzen“, überlegt Platzer. Sie ist erreichbar unter fussverkehr@stadt.graz.at oder www.graz.at/gehen .
Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) sieht mit der Bestellung der Beauftragten ein Wahlversprechen eingelöst: „Es gibt nun eine eigene Ansprechpartnerin, die die Basis für ein durchgängiges, barrierefreies Fußwegenetz, sichere Schulwege und den Vorrang für Fußgänger und Fußgängerinnen erarbeitet.“ Den Beginn macht der „Masterplan Gehen“, aus dem ein „strategisches Fußverkehrskonzept“ entwickelt werden soll, beschreibt Schwentner.
Die jüngste Mobilitätserhebung der Stadt zeigte, dass der Anteil der Fußgänger in Graz binnen weniger Jahre wuchs, und zwar von 19,3 Prozent Anteil am Verkehrsgeschehen auf 21 Prozent. Zeitgleich stieg auch der Anteil der Radler von 19,3 Prozent auf 20,3 Prozent.
Allerdings – und das ist die Kehrseite – kam dieser Zuwachs nicht nur von der von der Politik erhofften Seite, nämlich den Autolenkern. Zwar sank auch der Anteil des motorisierten Individualverkehrs, und zwar verglichen mit der Erhebung 2018 von 34,1 Prozent auf 32,9 Prozent. Allerdings waren im selben Zeitraum weniger Grazer im Alltag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs: Ihr Anteil sank von 19,8 Prozent 2013 und 2018 auf nun nur noch 18,2 Prozent.
Das Ergebnis schrieben die Verkehrsexperten bei der Präsentation der Studie der Corona-Pandemie zu, die viele bisherige Öffi-Nutzer auf Räder ausweichen ließ. Oder auf das simple zu Fuß gehen, das 1982 bei der ersten Mobilitätsstudie in Graz einen Wert von 31 Prozent erreichte. „Fußverkehr ist die Königsklasse der urbanen Mobilität und die klimafreundlichste Art der urbanen Fortbewegung“, überlegt Wolfgang Feigl, Leiter der Verkehrsplanung. Durch die Einrichtung einer eigenen Beauftragten dafür werde „dieser Wertigkeit Rechnung getragen“.
Sicherer Schulweg
Eine der Schrauben, an denen sich drehen lassen könnte, sind die Schulwege: 47 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen werden mit dem Auto in die Schule chauffiert, bei den Elf- bis 15-Jährigen beträgt der Anteil 15 Prozent. Diese Altersgruppe ist groß vertreten in den Öffis, 61 Prozent, radelt oder geht aber kaum. Schwentner sieht das als Auftrag, Kindern „ausreichend Platz“ zu schaffen und speziell Schulwege sicherer zu machen.
Doch auch ältere Menschen sollen sich beim zu Fuß gehen sicherer fühlen. „Damit erfüllen wir eine Forderung des Menschenrechtsbeirates“, betont Schwentner, auch Verkehrsreferentin in der Stadtregierung. „Besonders positiv ist, dass uns die Novelle der Straßenverkehrsordnung gerade jetzt Rückenwind gibt.“