Chronik/Österreich

Gewaltexzesse Jugendlicher: "Aufschrei, wie armselig sie sich fühlen"

Drei Stunden soll am Freitag das Martyrium einer 13-Jährigen in Salzburg gedauert haben. Es dürfte von einer sechsköpfigen Jugendgruppe gefangen gehalten und gequält worden sein. Drei Burschen und drei Mädchen im Alter von 14 und 17 Jahren stehen laut einem Bericht der Salzburger Nachrichten im Verdacht, ihrem Opfer die Haare abgeschnitten, es mit Schminke beschmiert und mit dreckigem Wasser überschüttet zu haben.

Außerdem sagte das Kind aus, getreten, gestoßen und geschlagen worden zu sein. Besonders brutal sind laut Staatsanwaltschaft die drei Mädchen vorgegangen – eine aus der Gruppe soll auf der Stirn der 13-Jährigen eine Zigarette ausgedämpft haben. Aufgehört haben die Verdächtigen offenbar erst, als ein Nachbar die Polizei gerufen hatte. Alle sechs Jugendlichen sitzen in U-Haft.

Gewalt im Jugendalter wird in der Regel eher mit Burschen verbunden. Dennoch sorgen immer wieder auch Attacken von Mädchen für Schlagzeilen. Bereits im November 2016 hatte die Gewalttat einer 15-Jährigen in Wien für Aufsehen gesorgt. Das Mädchen hatte im Bezirk Donaustadt eine Gleichaltrige verprügelt und die Tat gefilmt. Das Video wurde im Internet millionenfach angeklickt. Erst am Montagnachmittag haben zwei 15-Jährige in Innsbruck eine 16-Jährige von hinten angriffen und sie mit Faustschlägen und Fußtritten verletzt.

Tritt gegen den Kopf

2014 sorgte dort auch ein Fall für Aufsehen, bei dem eine 14-Jährige einer Polizistin wie bei einem Fußball-Freistoß gegen den Kopf trat. Die Beamtin wollte gerade eine rabiate Freundin des Mädchens (16) nach einem Diebstahlversuch in einem Schwimmbad festnehmen und erlitt bei dem Angriff eine Gehirnerschütterung. Beide Mädchen gehörten zu einer Gruppe Jugendlicher, die immer wieder mit Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Diebstählen auffällig wurden.

Andreas Zembaty vom Bewährungshilfeverein Neustart kennt solche Fälle aus seiner 40-jährigen Berufserfahrung. „Es ist ungewöhnlich und irritierend, wenn Mädchen oder Frauen Gewalt anwenden. Aber es gibt das immer wieder“, sagt er. Solche Vorfälle seien aber nach wie vor eher die Ausnahme und würden zahlenmäßig auch nicht zunehmen.

So ist es laut Zembaty etwa zum Teil schwierig vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft angeordnete Anti-Gewalttrainings für Mädchen zu organisieren, weil es für die notwendige Gruppengröße zu wenig Täterinnen gibt. Die haben laut dem Experten meist eine Auffälligkeit gemeinsam: „Eine eigene Opfererfahrung. Sie wollen sich auch einmal stark fühlen und glauben, ihre eigenen Erlebnisse in der Rolle des Täters bewältigen zu können.“

Kontrollverhalten

Für Renée Mader, Geschäftsführerin des Salzburger Gewaltschutzzentrums, sind die Motive für Taten wie jene am Freitag offensichtlich. „Es geht hier natürlich um Macht- und Kontrollverhalten“, sagt Mader. Jugendliche Gewalttäter würden sich häufig „entmachtet, entwertet und ausgeliefert fühlen“, meint Mader. „Man könnte vereinfacht sagen: Das ist ein Aufschrei, wie armselig sie sich innerlich fühlen.“

Dass vor allem die drei Mädchen in der Gruppe äußert brutal mit der 13-Jährigen umgegangen sein sollen, wundert die Expertin nicht. Zwar sei es eher typisch für männliche Sozialisation, Aggression nach außen zu richten, aber: „Es ist in den letzten Jahren immer wieder zu beobachten, dass sich Mädchen und Frauen daran orientieren.“ Mader erklärt das damit, dass gewaltbereite Mädchen oftmals mit vorgegebenen Rollenbildern nicht zurechtkommen würden.