Chronik/Österreich

Falscher Chirurg: Protokoll des Versagens

Jener falsche Schönheitschirurg, der monatelang unerlaubt in Wien gearbeitet hat, hätte früher gestoppt werden können. Das Protokoll der Ermittlungen zeigt, wie manche Behörden in diesem Fall geschlampt haben. Der Verdächtige soll zwar in der Slowakei ein Medizinstudium abgeschlossen, jedoch nie eine Turnusausbildung absolviert haben. In Österreich besitzt der Verurteilte wie berichtet keine Zulassung.

Februar 2017: Eine Betroffene wendet sich anonym an die Patientenanwaltschaft. Diese nimmt wegen des Falls Kontakt mit der Ärztekammer auf. Diese meint in einem Brief, dass man nichts machen könne, da der Beschuldigte nicht in der Ärzteliste geführt werde. Die MA 40 (Abteilung für Sozial- und Gesundheitsrecht der Stadt Wien) beginnt mit den Ermittlungen.

März 2017: Der Geschäftsführer des sogenannten Schönheitszentrums in Meidling erfährt schriftlich von der MA 40, dass der 42-Jährige kein zugelassener Arzt ist. Der Beschuldigte operiert trotzdem weiter.

28. Juni 2017: Es kommt zu einer gesundheitsbehördlichen Überprüfung. Im Zuge dieser wird der Geschäftsführer noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Beschuldigten nicht um einen zugelassenen Arzt handle. „Dazu erläuterte dieser, dass er dies wisse und dass der Herr nur als Manager im Schönheitszentrum tätig sei“, hießt es in einer Anzeige der MA 40, die später an die Staatsanwaltschaft ergeht. Der Geschäftsführer legt eine Beschäftigungsbestätigung vor, in der bei dem Slowaken als Tätigkeit „Verwalter“ angegeben ist.

19. September 2017: Bei der MA 40 geht eine weitere Beschwerde einer Patientin nach einer Brustvergrößerung ein. Einen Tag später kommt es erneut zu einer Überprüfung vor Ort.

17. Oktober 2017: Der Vorsitzende der selbstverwalteten Region Bratislava übermittelt ein Schreiben an Bürgermeister Michael Häupl. Darin wird darauf hingewiesen, dass der angebliche Mediziner keine Lizenz von der slowakischen Ärztekammer besitzt. Auch in der Slowakei soll der Beschuldigte als Chirurg praktiziert haben.

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November 2017: Eine weitere Betroffene wendet sich an die MA 40. Laut der Magistratsabteilung war bis dato „kein konkreter Behandlungsfall nachweisbar“. Die Frau nimmt sich Rechtsanwalt Dominik Konlechner. Es folgt eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft durch die MA 40. Die erste Unterlassungsaufforderung kann nicht an die Wohnadresse des 42-Jährigen zugestellt werden.

23. Februar 2018: Die Betroffene wird durch die Polizei einvernommen. „Während des Einsetzens der Implantate hatte ich fürchterliche Schmerzen. Ich schrie und weinte, da ich alles spüren konnte. Sogar die Krankenschwester musste weinen, da ich solche Schmerzen hatte. Mir war schwindelig und ich hatte starke Schmerzen... Für den Schwindel brachte er mir Kaffee“, gibt sie zu Protokoll. Es wird eine Untersuchungshaft angeregt, aber nicht vorgenommen.

April 2018: Der Revierinspektor, der mit dem Fall betraut ist, hätte den Abschlussbericht abliefern soll. Doch der Beamte verschleppt die Ermittlungen, soll mehrmals erkrankt sein.

2. Mai 2018: Der falsche Chirurg schneidet einer Patientin in ihrer Privatwohnung die Brust auf, um ein geplatztes Silikonimplantat zu entfernen. Die Operation erfolgt ohne Narkose, nur unter Lokalanästhesie. Sie erleidet eine schwere Infektion. Dem zuständigen Beamten wird der Fall entzogen, das Landeskriminalamt übernimmt die Ermittlungen.

Juni 2018: Das letzte Opfer des falschen Chirurgen wird einvernommen.

4. Juli 2018: Der Verdächtige wird verhaftet. Bis zur Untersuchungshaft scheitern laut Wiener Ärztekammer alle Versuche, eine Unterlassungsaufforderung an die Wohnadresse des Mannes zuzustellen.

7. Jänner 2019: Der Beschuldigte wird zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, davon acht Monate unbedingt, nicht rechtskräftig verurteilt.

Für Rechtsanwalt Dominik Konlechner ist klar, dass durch schnelleres Handeln weitere Opfer verhindert hätten können. „Mit ein bisschen mehr Engagement der Polizei, der Staatsanwaltschaft und Ärztekammer hätte man den Schaden begrenzen können. Die MA 40 wiederum hat alles getan, wofür sie zuständig ist“, stellt der Verteidiger fest.

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Arzt ist nicht gleich Arzt

Der Schönheitschirurg wird im Fachjargon „Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie“ genannt. Seit Jänner 2013 gibt es in Österreich das „Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen“. Dieses besagt, dass  „Fachärzte für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie“  alle ästhetischen Eingriffe vornehmen dürfen, genauso wie – unter bestimmten Voraussetzungen  –  Fachärzte für Chirurgie.

Ärzte anderer Fachrichtungen dürfen lediglich jene Eingriffe vornehmen, die in ihren Bereich fallen, so Primar Boris Todoroff, Präsident der Österreichische Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC): „Ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt darf eine Nasenkorrektur vornehmen, aber keine Brustvergrößerung.“ Allgemeinmediziner dürfen ohne Zusatzqualifikationen derartige Leistungen überhaupt nicht anbieten. Piercen und Tätowieren fällt übrigens nicht unter ästhetische Behandlungen. Wer in Österreich als Arzt tätig sein will und seine Ausbildung im Ausland absolviert hat, muss diese nostrifizieren lassen. Außerdem müssen eine Arbeitserlaubnis, ein Strafregisterauszug sowie ausreichende Sprachkenntnisse nachgewiesen werden, bevor ein Eintrag in die Ärzteliste erfolgen kann.