Chronik/Österreich

"Eins vor zwölf": Klimaschützer fordern sofortiges Handeln

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Die am Montagvormittag in Form des sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC veröffentlichte Botschaft der internationalen Klimaforschung könnte eindeutiger nicht sein: Mit der derzeitigen Entwicklung wird 2030 bereits eine Erderwärmung um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erreicht sein, UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief konsequenterweise die "Alarmstufe Rot" für das Weltklima aus.

Österreich ist in dieser verheerenden Entwicklung bereits einen Schritt weiter: Laut der Zentralanstalt für Meterologie und Geodynamik (ZAMG) ist es hierzulande seit Beginn der Industrialisierung bereits um rund zwei Grad wärmer geworden. Folgt keine Trendumkehr, wird die Erwärmung bis zum Jahr 2100 bei mindestens fünf Grad liegen.

Gewessler: Weiter wie bisher "keine Option"

Für Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) ein eindeutiger Auftrag: Die veröffentlichen Daten und Ergebnisse des IPCC würden deutlich zeigen, "dass weiter wie bisher für uns alle keine Option ist", so Gewessler in einer Aussendung.

Und weiter: "Wir werden überall auf der Erde, auch in Österreich, verstärkt mit uns nun bekannten Extrem- und Unwettern, Trockenheit und Hitze in unseren Regionen und Städten rechnen müssen. Die Klimakrise sorgt für verwüstete Landstriche, schadet unserer Wirtschaft mit immens hohen Folgekosten in Milliardenhöhen, zerstört Lebensgrundlagen, Existenzen und Arbeitsplätze."

Der Bericht bestätige jedoch auch, so die frühere Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation Global 2000, dass bei "Vorantreiben ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen" eine Eindämmung der voranschreitenden Klimakrise möglich sei.

Global 2000: "Können es noch schaffen"

Auch Gewesslers früherer Arbeitgeber Global 2000 sieht den IPCC-Bericht als alarmierenden Weckruf an die Politik: "Es ist eins vor zwölf und der Zustand des Planeten verschlimmert sich schnell. Die positive Nachricht ist, dass wir es immer noch schaffen können, die Gefahr einzudämmen, wenn rasch und wirksam gehandelt wird", so Klima- und Energiesprecher Johannes Wahlmüller.

Dazu brauche es aber Konsequenzen und einen "Green Deal" bestehend aus einer öko-sozialen Steuerreform, einem rechtlich verbindlichen Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle und einem Milliarden-Investitionspaket. "Es geht beim Klimaschutz um Menschenleben und unser aller Überleben. Wer weiter nur auf freiwillige Empfehlungen setzen will, hat die Ernsthaftigkeit der Situation einfach nicht begriffen. Die Unverbindlichkeit der Klimapolitik hat uns an den Rand des Abgrunds gebracht, jetzt braucht es wirksame Maßnahmen, damit die Trendwende doch noch geschafft werden kann. Damit modernisieren wir unser Land, machen uns unabhängig von Energieimporten und schaffen tausende Arbeitsplätze", so Wahlmüller weiter.

WWF: Nur mehr sehr wenig Zeit

Rasches Handeln der Politik fordert auch WWF-Klimaexpertin Lisa Plattner: "Wir haben nur mehr sehr wenig Zeit, die Erderhitzung einzudämmen, aber es ist noch möglich.” Hingegen wäre ein weiteres politisches Scheitern fatal: "Das würde zu einer Erhitzung von drei bis sechs Grad Celsius führen. Verheerende Dürren und Feuer, wie wir sie jetzt schon in Ausnahmejahren sehen, werden dann zum Normalfall. Viele Naturkatastrophen würden noch extremer ausfallen.“

Von der Politik fordert der WWF einen Klima-Rettungsplan mit ganzheitlichem Ansatz: "Österreich muss sich auf der EU-Ebene für eine Klimaneutralität bis 2040 statt 2050 einsetzen und dieses Ziel auch in der Heimat rasch mit Leben erfüllen. Das erfordert naturverträgliche Klimaschutzmaßnahmen in allen Bereichen“, so Plattner. Konkret brauche es dafür eine ökologisch und sozial gerechte Steuerreform, die Streichung umweltschädlicher Subventionen, eine umfassende Mobilitäts- und Ernährungswende, einen konsequenten Schutz der Natur und den naturverträglichen Ausbau von Erneuerbaren Energien.

Greenpeace: "Auf Messers Schneide"

“Die wissenschaftlichen Erkenntnisse waren nie eindeutiger, die Zeit nie knapper: Der neue Bericht des Weltklimarats zeigt, dass die Welt, wie wir sie kennen, auf Messers Schneide steht. Wir sehen die bereits heute verheerenden Auswirkungen der Klimakrise. Der Bericht warnt aber vor noch drastischeren Zukunftsszenarien“, sagt auch Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace.

Besondere Bedeutung komme dem neuen Report hinsichtlich der Weltklimakonferenz (COP26) im November in Glasgow zu. Alle Staaten seien angehalten, ihre Zielversprechungen an den Pariser Klimavertrag anzupassen und ambitionierte Pläne vorzulegen. “Die Staatsmänner und -frauen dieser Welt müssen den Bericht als Alarmsignal erkennen. Klimaschutz muss zur Priorität werden. Die schwachen Klimaschutzpläne der Länder sind offensichtlich bei weitem nicht ausreichend”, appelliert Duregger.

Auch Österreich hinke hinterher: Zwar wurde die Klimaneutralität im Regierungsprogramm vereinbart, von einer gesetzlichen Verankerung - beispielsweise im Klimaschutzgesetz - fehle aber nach wie vor jede Spur. Von der österreichischen Bundesregierung fordert Greenpeace daher, schleunigst ein umfassendes und ambitioniertes Klimaschutzgesetz sowie eine sozial abgefederte ökosoziale Steuerreform umzusetzen.

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Fridays: Bericht macht "große Angst"

Fridays for Future-Aktivistin Ida Ploner forderte auf einer Pressekonferenz, die Warnungen der Wissenschaft nicht weiterhin zu ignorieren. "Was in der Klimakrise passiert ist so, als würde die Politik in der Covid-19-Pandemie jegliche Empfehlungen der Wissenschaft missachten. Seit über 200 Tagen fehlt ein nationales Klimaschutzgesetz, eine Liste mit allen klimaschädlichen Subventionen hätte längst vorliegen müssen und es werden weiterhin Autobahnprojekte vorangetrieben, die vor dem Pariser Klimaabkommen geplant wurden - all das steht im Widerspruch.”

Als Jugendliche mache ihr der neue Bericht "große Angst", prophezeie er doch "eine Zukunft, vor der man sich fürchten muss. Und trotzdem bleibt die Politik untätig." “Wenn eine einzelne Studie den Weltuntergang an die Wand male, solle man das mit Vorsicht genießen. "Wenn aber tausende der besten Studien weltweit vor dramatischen Folgen der Klimakrise warnen, spätestens dann müssen unsere Alarmglocken läuten”, so Ploner.

Mir ihr am Podium saß Daniel Huppmann, Forscher am IIASA in Laxenburg und einer der Autoren des 2018 erschienen IPCC-Berichts zur 1.5°C- Erderwärmung. Er erklärte, das Neue im aktuellen Bericht sei die Analyse zu Extremwetterereignissen. Huppmann: "Wir sollten uns von den Worten Jahrhundert-Hochwasser und Jahrhundert-Waldbrände verabschieden, denn der heute veröffentlichte Bericht des IPCC zeigt klar: Wir befinden uns bereits mitten in einem Jahrhundert der Extremwetterereignisse. Diese Ereignisse hängen direkt mit dem Klimawandel zusammen und werden in den nächsten Jahren weltweit zunehmen – auch hier in Österreich.”

KlimaVB: "Weitermachen keine Option"

Verbindliche Maßnahmen statt leerer Versprechen und vager Ziele fordert schließlich auch das Team des Klimavolksbegehrens. Düstere Vorhersagen aus dem IPCC-Bericht von 2014 seien heute – nur sieben Jahre später – bereits schreckliche Realität geworden: “Nahezu täglich neue Wetterextreme, Überschwemmungen, Hitzerekorde und ganze Inseln, die in Flammen stehen: Die Klimakrise passiert hier und jetzt. Weitermachen wie bisher ist keine Option”, so Sprecherin Katharina Rogenhofer.

Schon jetzt sind die Auswirkungen der Klimakrise in Österreich deutlich spürbar. Hierzulande ist die Durchschnittstemperatur bereits doppelt so stark gestiegen wie im weltweiten Mittel. Dennoch bleibe die Regierung wesentliche Klimaschutzmaßnahmen schuldig: “Statt uns das bis zum Sommer versprochene Klimaschutzgesetz und die Liste der klimaschädlichen Subventionen vorzulegen, debattiert die Spitzenpolitik über Technologie und Verzicht”, kritisiert Rogenhofer. “Wir verzichten schon jetzt etwa auf saubere Luft und gute Verkehrsanbindungen und werden künftig auf weit mehr verzichten müssen, wenn wir nichts tun. Durch mutigen Klimaschutz können wir jedoch eine lebenswerte Zukunft gewinnen. Die Technologien dafür gibt es längst, was fehlt ist die Umsetzung konkreter, verbindlicher Maßnahmen.”

Ohne Klimaschutzgesetz bleibe die Klimaneutralität 2040 nur ein Märchen der Politik, denn es existiere damit kein verbindliches Treibhausgasbudget samt klarem Pfad zur Reduktion der Emissionen. Auch klimaschädliche Subventionen heizen die Klimakrise weiter an. "Die Politik kann sich keine weiteren Verzögerungen im Klimaschutz leisten. Es braucht jetzt eine gemeinsame Anstrengung der gesamten Regierung und vor allem ein klares Bekenntnis von Bundeskanzler Kurz“, mahnt Rogenhofer. Denn wenn der IPCC-Bericht eines deutlich mache, dann, dass uns die Zeit davonläuft.