Chronik/Österreich

Drogenprozess gegen "Ibiza-Detektiv" mit Zeugen fortgesetzt

Auch am zweiten Tag seiner Hauptverhandlung am Mittwochmorgen erscheint Julian Hessenthaler in Anzug und Handschellen im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts St. Pölten. Zwar muss sich der mutmaßliche Drahtzieher des Ibiza-Videos, das schließlich die türkis-blaue Regierung zu Fall brachte, nicht in diesem Zusammenhang, sondern für die Weitergabe von mehr als einem Kilo Kokain verantworten. Das Medieninteresse an dem Drogenprozess war aber auch rund ein Monat nach Prozessauftakt ungebrochen groß.

Nachdem der 40-Jährige unter Blitzlichtgewitter von zwei Justizwachebeamten in den Verhandlungssaal geführt worden war, setzte sich der Angeklagte aber nicht wie üblich auf den Vernehmungsplatz. Seine Anwälte Oliver Scherbaum und Wolfgang Auer kündigten an, dass ihr Klient Stellung zu den Zeugenaussagen der letzten Verhandlung beziehen wolle. Wie der KURIER berichtete wurden am ersten Prozesstag zwei Belastungszeugen einvernommen:

Der Mann und seine ehemalige Geliebte waren vor rund einem Jahr wegen Drogendelikten verurteilt worden. Die Slowakin, deren Einvernahme am ersten Verhandlungstag am 8. September aufgrund psychischer Probleme abgebrochen werden musste, wurde am Mittwoch auf ihren Wunsch hin in Abwesenheit des Angeklagten befragt. Ein Antrag der Verteidiger, die bereits zu Prozessauftakt von konstruierten Vorwürfen gesprochen hatten, gegen die abgesonderte Einvernahme, wurden abgelehnt.

Zeugin brach in Tränen aus

Die Angst der Zeugin vor dem Beschuldigten erklärte sie damit, dass er sie mit einer Pistole bedroht habe. Zu dem Vorfall soll es im Büro des männlichen Belastungszeugen gekommen sein. Sie sei alleine mit Julian Hessenthaler in den Räumlichkeiten gewesen, habe ihn massiert und dann in den Schwitzkasten genommen und gesagt, er solle den Mann nicht in schlechte Geschäfte verwickeln. Daraufhin habe ihr der Angeklagte ein Video von ihr beim Drogenkonsum gezeigt.

"Er nahm eine Pistole und setzte sie mir an den Kopf. Er betätigte den Abzug, aber die Waffe war nicht geladen", hatte sie in ihren vorangegangenen Einvernahmen durch die Polizei ausgesagt. "Es fällt auf, dass Sie auch heute den Vorfall nicht chronologisch schildern können", merkte der Richter an. "Weil es der schlimmste Tag für mich war", meinte die Slowakin dazu, die im Laufe der Befragung in Tränen ausbrach.

Zahlreiche Einvernahmen

"Sie sind ungewöhnlich häufig einvernommen worden. Haben Sie eine Erklärung dafür?", wollte der Richter von der Zeugin bezüglich der mehr als zehn Befragungen durch die Polizei wissen. Die Slowakin begründete das damit, dass sie einen Schlussstrich ziehen wollte. Zudem habe die Polizei sie immer wieder zu Beweisen in ihrem Handy befragt.

Diskrepanzen zeigen sich laut dem Richter in den Aussagen der Frau auch in Bezug auf die Anzahl der Übergaben, bei denen sie dabei gewesen sein soll. Eine Weitergabe von einem halben Kilo Kokain in Oberösterreich habe sie erst in ihrer achten oder neunten Einvernahme erwähnt. "Das widerspricht dem Motiv, reinen Tisch zu machen", meinte der Richter. Die Frau entgegnete: "Ich habe mich gefürchtet, das der Polizei zu sagen."

Aussagen stehen in Widerspruch

Auch während der Befragung am Mittwoch sprach die Zeugin zunächst von zwei und dann erst auf Nachfrage des Richters von drei Übergaben, bei denen sie dabei gewesen sein soll. "Der Druck auf mich ist enorm", begründete die Frau ihre unterschiedlichen Angaben. Die Befragung der Hauptbelastungszeugin gestaltete sich schwierig, die Frau wechselte immer wieder zwischen Deutsch und Slowakisch. "Es ist derart unstrukturiert und unchronologisch, was sie erzählt. Da kennt sich kein Mensch aus", meinte der Richter zur Dolmetscherin.

Die Aussagen der beiden Belastungszeugen stehen teilweise im Widerspruch. Der mutmaßliche Abnehmer des Kokains hatte das am ersten Verhandlungstag mit psychischen Problemen der Frau begründet. Der Angeklagte äußerte hingegen die Vermutung, dass der Zeuge für falsche Vorwürfe gegen ihn Geld bzw. geldwerte Sachleistungen in Form von Anwaltshonorar bzw. nach der Verurteilung eine Fußfessel erhalten habe. Das bestritt der Mann. Er gab jedoch an, dass ein Lobbyist und Betreiber einer Onlineplattform das Honorar seines Verteidigers im Drogenprozess in Salzburg bezahlt hatte.

Lobbyist im Visier

Der Rechtsanwalt des Hauptbelastungszeugen, der am Mittwoch im Saal anwesend war, wurde spontan in den Zeugenstand gerufen. Er sagte aus, dass seinem Mandanten von seinem zweiten Verteidiger - der nun Hessenthaler vertritt - nahegelegt worden sei, nichts gegen den 40-Jährigen zu sagen.

Ein ehemaliger Geschäftspartner des Angeklagten und des Hauptbelastungszeugen war seinen Angaben zufolge nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos von dem Betreiber der Internetplattform kontaktiert worden. Es kam zu einem Treffen zu dritt. Die beiden erhielten zunächst 40.000 Euro und später 15.000 Euro. "Die Vereinbarung war, dass ich Informationen über das Ibiza-Video, die Hintermänner und Firmen weitergebe", sagte der Zeuge. Für falsche Vorwürfe bzw. belastende Angaben sei er nicht bezahlt worden, betonte er. Der Betreiber der Onlineplattform erklärte im Zeugenstand, das an die Informanten bezahlte Geld "kommt aus meiner Firmengruppe": "Es gab und gibt keinen Auftraggeber."

Prozess vertagt

Die Schöffenverhandlung wurde schließlich vertagt. Die Hauptbelastungszeugin wird am 23. November erneut befragt, die Einvernahme des Betreibers der Onlineplattform wird am 24. November fortgesetzt.

Bei einem Schuldspruch drohen Julian Hessenthaler bis zu 15 Jahre Haft. Der Privatdetektiv soll laut Staatsanwalt Bernd Schneider insgesamt 1,25 Kilo Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 Prozent 2017 und 2018 nahe der niederösterreichischen Stadt Haag (Bezirk Amstetten), in Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro an einen Bekannten übergeben haben. Damit soll Julian Hessenthaler laut Anklage Schulden beglichen bzw. seine triste finanzielle Situation aufgebessert haben.

Neben Suchtgifthandel wird dem 40-Jährigen vorgeworfen, einen gefälschten slowenischen Führerschein und Personalausweis, die auf den Namen einer rumänischen Bekannten lauteten, besessen und übergeben sowie bei einer Polizeikontrolle am 7. Mai 2019 in Wien eine gefälschte slowenische Lenkberechtigung vorgewiesen zu haben. "Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass diese Dokumente falsch sind", hatte der Angeklagte am ersten Tag der Schöffenverhandlung eingeräumt.