Die Ruhe vor dem Alm-Ansturm: Wanderer und Kühe müssen warten
Offiziell ist der Tourismus bereits seit 1. Mai in der Sommersaison. Das Wetter will derzeit davon aber noch nichts wissen. In den Bergen, wo es die Sommergäste bevorzugt hinzieht, herrscht nach den jüngsten Schneefällen noch tiefster Winter.
Auf den Almen hat sich der Saisonstart dadurch noch einmal nach hinten verschoben. Den Tieren würde es derzeit schlicht an Futter auf den Wiesen fehlen. Zuerst die Trockenheit, jetzt der Schnee: Beides hat die Vegetation massiv gebremst.
Selbst bei Almen unterhalb von 1000 Metern ist in vielen Regionen vorerst noch nicht an Auftriebe zu denken, heißt es von Landwirten. Rund 442.000 Tiere – Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde – verbringen in Österreich jedes Jahr den Sommer in den Bergen.
Eigenverantwortung
Nach dem erstinstanzlichen Schadenersatz-Urteil gegen einen Tiroler Kuhbauern im Februar, dessen Tiere 2014 eine Wanderin getötet haben, haben sich die Rahmenbedingungen für den heurigen Almsommer geändert.
Am Mittwoch ging eine Novelle der Tierhalter-Haftung durch den Ministerrat. Die betont, wie berichtet, die Eigenverantwortung der Almbesucher. Am 1. Juni soll das Gesetz in Kraft treten.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) kritisierte die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Novelle scharf. Sie bringe in keinem Punkt einen Gewinn an Rechtssicherheit, hieß es in einer Stellungnahme.
Verunsicherung beseitigt
Bei den Bauern hat die Initiative ihre Wirkung hingegen nicht verfehlt: „Die Position der Almwirtschaft wurde gestärkt. Die Verunsicherung bei den Bauern ist in weiten Teilen weg“, sagt Tirols Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger, der selbst gerade in den Vorbereitungen für den Almsommer steckt und heuer irgendwann im Juni rund 40 Kühe auftreiben wird.
In den vergangenen Wochen seien rund 1500 Landwirte bei Veranstaltungen in Tirol über das Kuh-Urteil und die Schlüsse, die daraus gezogen wurden, informiert worden. „Das Urteil hat gezeigt, dass die Gesetze nicht ausgereicht haben“, sagt Hechenberger zur OGH-Kritik.
Klare Spielregeln
Er hält fest: „Wir wollen aber nicht nur Rechtssicherheit, sondern dass es auch möglichst wenig Unfälle mit Weidetieren gibt. Jeder muss wissen, wie die Spielregeln ausschauen.“ Vor einem Monat hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) einen Verhaltenskodex für Almwanderer präsentiert.
Zusätzlich dazu und der Alm-Novelle wurde in mehreren Bundesländern der Versicherungsschutz für Tierhalter auf der Alm ausgeweitet.
In Kärnten übernimmt das Land sogar die Prämien für jene Bauern, über deren Almen ausgewiesene Wanderwege führen. Das kostet voraussichtlich 19.000 Euro pro Jahr und deckt im Ernstfall Haftungssummen bis zu einer Million Euro, sollte es wie im Anlassfall Tirol zu Privatklagen kommen.
Video mit Franz Klammer
Darüber hinaus setzen die Kärntner Agrarier aber auf Bewusstseinsbildung und haben dafür einen bekannten ehemaligen Top-Sportler gewonnen: Franz Klammer führt in einem Video durch die zehn wichtigsten Punkte, die Wanderer und Mountainbiker beachten müssen, etwa Weidevieh nicht füttern oder Hunde nicht frei laufen lassen. Ebenfalls auf der Liste: Natur und Tieren respektvoll begegnen.
„Eigenverantwortung ist ganz wichtig“, betont Johann Mößler, Präsident der Landwirtschaftskammer. „Wenn man die Freizeit in der Natur auf fremdem Eigentum verbringt, wo auch Weidetiere unterwegs sind, muss man wissen, welcher Gefahr man sich aussetzt.“