Chronik/Österreich

Die Mühen nach Doskozils Wahlsieg

Als Hans Peter Doskozil vor einem Jahr mit den Stimmen von 35 der 36 Abgeordneten des burgenländischen Landtags zum Landeshauptmann der ersten roten Alleinregierung gewählt wurde, bestand sein drängendstes Problem darin, sich für den „politischen Fehler“ entschuldigen zu müssen, kurz erwogen zu haben, seine Verlobte zur Sozial- und Eventreferentin in seinem Büro zu machen.

Über derlei Kinkerlitzchen lächelt Doskozil heute vermutlich versonnen.

Nicht allein deshalb, weil der 50-Jährige seither – nach ersten Eingriffen 2018 und 2019 – zwei weitere Male am Kehlkopf operiert werden musste, um seine Stimmprobleme in den Griff zu bekommen, und heuer überhaupt noch nicht öffentlich auftreten konnte, sondern vor allem wegen coronaler und commerzialer Einschläge.

Als ob die Pandemie mit ihren Folgekosten auch fürs Land (nach Schuldenabbau in den letzten Jahren kommen für 2020 und heuer 201 Millionen neue Schulden dazu) noch nicht ausgereicht hätte, legte das Burgenland im vergangenen Juli mit der horrenden Pleite der regionalen Commerzialbank von Martin Pucher noch nach.

Bankenfluch

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Die drittgrößte Miese der österreichischen Wirtschaftsgeschichte mit einem Schaden von geschätzten 870 Millionen Euro trifft das Land mehrfach: Der unmittelbare Schaden für Landesunternehmen und Gemeinden beträgt rund 12 Millionen Euro, dazu kommen Nachfolgeinsolvenzen von Firmenkunden der Commerzialbank, die das Land durch Minderheitsbeteiligungen aufgefangen hat. Eine von Doskozil angekündigte Amtshaftungsklage gegen die Republik, deren Organen er Kontrollversagen vorwirft, steht noch immer aus, stattdessen wurde das Land bereits von einer ehemaligen Bankkundin geklagt.

Das Vehikel dafür ist die Aufsicht des Landes über die Muttergenossenschaft der Bank, die der damalige SPÖ-Landeshauptmann Karl Stix 1994 abgesegnet hatte. Wie es dazu kam, konnte der seit fast sechs Monaten tagende Untersuchungsausschuss zur Bankpleite nicht klären.

Selbsternannte Vorreiter

Das Feld, auf dem der Wahlsieger von 2020 eigentlich punkten wollte, wurde von Corona und Commerzialbank über Nacht ins Abseits geschoben: Denn der Masterplan nach den 49,9 Prozent bei der Landtagswahl Anfang des Vorjahrs sah vor, das Burgenland als Jungbrunnen für die verwelkte Sozialdemokratie anzupreisen.

Der Mindestlohn von 1.700 Euro netto im Einflussbereich des Landes, die Anstellung pflegender Angehöriger bei einer Landestochter, die Aufstockung des Personals im Landesdienst um fast 20 Prozent oder die Beteiligung des Landes an Privatunternehmen sollten vor allem der von Doskozil wenig geschätzten Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner den rechten, burgenländischen Weg weisen.

Bevor dieses pannonische Modell eines starken Staates aber in der österreichischen Sozialdemokratie verfangen konnte, kam Rendi-Wagner in der andauernden Corona-Pandemie ihre Ausbildung als Infektiologin immer mehr zu Gute. Der Wahlsieg Michael Ludwigs in Wien tat das Übrige, die burgenländische SPÖ wieder leiser treten zu lassen.

Zumal die Verstaatlichung im Burgenland ohnehin langsamer voranschreitet, als von den Roten erhofft: 174 pflegende Angehörige sind derzeit angestellt; Ex-Landesrat Christian Illedits, der im Zuge des Commerzialbank-Skandals zurücktreten musste, hatte noch für 2020 bis zu 300 erwartet. Und rund 1.300 Personen im Landesdienst erhalten den Mindestlohn; der angepeilte Siegeszug in Privatunternehmen ist bis dato ausgeblieben. Die Präsidenten von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sind auf Distanz zu Doskozil gegangen, ein Novum im harmonieverliebten Burgenland.

Welche Bilanz Doskozil selbst zieht, ist spätestens Anfang März nachzulesen, wenn der erste Rechenschaftsbericht der Landesregierung vorliegt: „Wir wollen nicht an Ankündigungen, sondern an Ergebnissen gemessen werden“, ließ er gestern vermelden. Wann er selbst wieder öffentlich auftritt? „Im März, ich bin zuversichtlich“.