Die "Mrs. Speaker" des Burgenlands
Von Thomas Orovits
Ob die Debatte zu Beginn der jüngsten Landtagssitzung am vergangenen Donnerstag zu den Sternstunden des Parlamentarismus gehört, sei dahingestellt. Höchst unterhaltsam waren die verbalen Gefechte zwischen Landtagspräsidentin Verena Dunst (SPÖ) sowie den türkisen und grünen Vertretern der Opposition aber allemal.
Mancher Beobachter meinte einem Stück britischer Polit-Folklore beizuwohnen, als Dunst die Abgeordneten Thomas Steiner, Christian Sagartz und Markus Ulram (alle ÖVP) sowie Grünen-Mandatarin Regina Petrik fast so streng zur Ordnung rief wie der legendäre Sprecher des britischen Unterhauses, John Bercow, die Seinen in Westminster Palace. „Aber bitte zur Geschäftsordnung“ mahnte Dunst die Oppositionspolitiker mit zunehmender Ungeduld, als die sich nicht und nicht beruhigen wollten. Die „Order“-Rufe Bercows hallten gedanklich nach.
Rechte des Landtags
Auslöser der hitzigen Diskussionen war die Weigerung von SPÖ-Landesrat Heinrich Dorner, der ÖVP rund um die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Wohnbaugenossenschaften Riedenhof, Gesfö und Pannonia („Causa Tojner“) Akteneinsicht zu gewähren. Die Begründung Dorners, die Amtsverschwiegenheit sei geboten, um wirtschaftliche Interessen des Landes zu sichern (es geht um mindestens 40 Millionen Euro Nachzahlung, die das Land aus dem Wohnbau-Deal geltend macht), wollte die Opposition nicht akzeptieren.
Von der Landtagspräsidentin verlangte ÖVP-Obmann Steiner, sie möge im Match mit der Regierung Partei für das Abgeordnetenhaus ergreifen: „Schützen Sie den Landtag!“ Mit ihrer Amtsführung habe sich Dunst bisher nicht „mit Lorbeer bekränzt“, sagt Steiner zum KURIER. „Da ist noch viel Luft nach oben“ – wobei: auch an Dunsts männlichen Vorgängern aus der SPÖ ließ die ÖVP kaum ein gutes Haar.
Lange Karriere
An der Spitze des Landtags steht die 61-jährige Südburgenländerin erst seit 28. Februar 2019. Mit der Wahl von Hans Peter Doskozil zum Landeshauptmann, wechselte die Mutter zweier Töchter von der Regierungsbank an die Spitze des Landtagspräsidiums. Sie erhielt 23 von 33 gültigen Stimmen und ist die erste Landtagspräsidentin. Das ist umso bemerkenswerter, als die Polit-Karriere der Lehrerin vor der Landtagswahl 2015 schon zu Ende schien.
Dunst, die 1994 in den Nationalrat einzog und im Dezember 2000 mit Landeshauptmann Hans Niessl als Landesrätin angelobt wurde, sollte wie der eine oder andere männliche Kollege in der Landesregierung Jüngeren Platz machen. Niessl scheiterte mit seinem Ansinnen. Er ist mittlerweile Polit-Pensionist, Dunst wurde auf den Posten der Landtagspräsidentin weggelobt und ist protokollarisch hinter dem Landeshauptmann die Nummer zwei.
Ein Trumpf, der die resolute Kämpferin fürs Südburgenland und den Uhudler, bislang in innerparteilichen Machtkämpfen immer obsiegen ließ, sind ihre Erfolge in Güssing. Seit 2005 ist der früher tiefschwarze Bezirk bei Landtagswahlen rot. Übrigens: John Bercow tritt per 31. Oktober zurück. Das ist bei Dunst nicht zu befürchten – sie kandidiert bei der Landtagswahl im Jänner noch einmal.