Der erbitterte Kampf um die Medikamenten-Versorgung am Land
Von Josef Gebhard
Wenn zwei Standesvertretungen einander in die Haare geraten, ist großes Drama vorprogrammiert. So auch im Streit der Ärzte- mit der Apothekerkammer um die Hausapotheken in Ordinationen. Glaubt man beiden Seiten, bleibt nur noch die Wahl, auf welche Weise die Arzneimittel-Versorgung in den nächsten Jahren am Land zusammenbrechen wird.
„Wir steuern auf eine Versorgungskrise zu“, warnt nun Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart. In den vergangenen 20 Jahren sei österreichweit die Zahl der Hausapotheken um 102 auf 794 zurückgegangen, während jene der öffentlichen Apotheken seit 2009 um 155 auf 1.438 gestiegen sei. Die Folge sei, dass Patienten oft unnötig viele Kilometer zurücklegen müssten, um zu ihren Arzneien zu kommen.
Grund sei laut Steinhart die bestehende Rechtslage: Sperrt eine neue Apotheke auf, müssen die Hausapotheken im Umkreis von vier Kilometern innerhalb von drei Jahren schließen. Steinhart fordert eine Aufhebung dieses „Anachronismus“. Er bekommt Rückenwind von der Bundeswettbewerbsbehörde, die zuletzt ebenfalls für eine Liberalisierung plädierte, um Hausarzt-Ordinationen attraktiver zu machen.
Das rief postwendend die Apothekerkammer auf den Plan. Eine Deregulierung würde das sofortige Aus von 143 öffentlichen Apotheken und den drohenden Verlust von 6.000 Arbeitsplätzen bedeuten, warnte Gerhard Kobinger von der Apothekerkammer. Leidtragender sei auch hier der Patient, da das Sortiment und die Öffnungszeiten von Hausapotheken viel eingeschränkter seien.
Badehaube statt Arznei
Ein Vorwurf, den wiederum die Ärzte nicht auf sich sitzen lassen wollen: „Gehe ich mit einem Rezept in die Apotheke, komme ich mit einer Badehaube und Sonnencreme wieder raus“, spielt Silvester Hutgrabner von der Ärztekammer auf das mittlerweile recht breite Warensortiment in Apotheken abseits von Medikamenten an.
Den Argumenten der Ärzte wenig abgewinnen kann Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am IHS. „Die Ausweitung der Hausapotheken wäre das Gegenteil von Wettbewerb“, sagt er zum KURIER. Schließlich seien sie nicht der Betriebspflicht der öffentlichen Apotheken mit langen Öffnungszeiten, Nacht- und Wochenenddiensten unterworfen.
Mit gutem Grund gelte das Prinzip, dass das Verschreiben und Verkaufen von Arzneien voneinander getrennt sind. Hausapotheken würden nur die Ausnahme für dünn besiedelte Regionen bilden, wo sich der Betrieb einer Apotheke nicht rechnen würde, sagt der Experte.
Statt die Hausapotheken zu stärken, plädiert er für Erleichterungen für die Apotheken – etwa bei der Hauszustellung von Arzneien oder beim Betrieb von Zweigstellen in kleineren Ortschaften.
Josef Gebhard