Bildungspolitik: Warum den heimischen Schulen die Lehrer ausgehen
Von Diana Dauer
Eine Volksschule in Oberösterreich. Im Herbst starten hier acht Klassen ins nächste Schuljahr – hoffen sie. Denn für diese acht Klassen stehen nur drei Lehrer zur Verfügung – zwei davon arbeiten nur Teilzeit.
Die Schule in Oberösterreich ist symptomatisch für die Lage an Österreichs Schulen. Den Schulen gehen die Lehrer aus. Österreich steuert auf einen eklatanten Lehrermangel zu. Vor allem im Osten des Landes und in Vorarlberg fehlen die Lehrkräfte.
Seit Jahren bekannt
Eine Überraschung ist das nicht, ist die drohende Pensionierungswelle der Babyboomer, die bis 2030 in voller Härte anrollt, doch schon lange bekannt und prognostiziert. "Wir machen seit mehr als zehn Jahren darauf aufmerksam, dass wir in so eine schlimme Situation kommen werden. Corona und schlechte Arbeitsbedingungen haben das jetzt noch verschlimmert“, sagt der oberste Gewerkschafter der Pflichtschullehrer, Paul Kimberger.
Soll heißen: Zusätzlich zur Pensionierungswelle hätten viele Lehrer dem Beruf den Rücken gekehrt. Erschwerend hinzukommt, dass viele fertig ausgebildete Lehrer nicht in den Beruf einsteigen wollen, sagt Kimberger. "Es gibt zu wenig Praxis in der Ausbildung, deshalb stellen sich Studierende den Beruf anders vor“, sagt der Lehrervertreter.
Ein weiterer Grund für den akuten Lehrermangel ist laut Kimberger die Ausbildungsdauer. Eine Anstellung als Lehrkraft ist zwar schon nach dem achtsemestrigen Bachelor möglich, aber nur, wenn man innerhalb von fünf Jahren den Master berufsbegleitend abschließt. Daraus würden allerdings zahlreiche Teilzeitbeschäftigungen mit "teilweise sehr geringem Beschäftigungsausmaß und veritablen organisatorischen Problemen“ resultieren, heißt es auch aus der Tiroler Bildungsdirektion. Andere würden sich den Master erst gar nicht berufsbegleitend antun und steigen erst nach dem abgeschlossenen Master ein, sagt Kimberger.
Keine Lust auf Schule
Der Beruf des Lehrers war einst gesellschaftlich höchst geachtet. Heute ist er für Einsteiger und Praktiker unattraktiv. Denn: Das Ergebnis des bereits jetzt schon veritablen Personalmangels ist eine massive Überlastung, wie es auch in anderen Branchen, etwa der Pflege, der Fall ist. Zu viele Kinder in den Klassen und Überstunden, um das fehlende Personal zu kompensieren, sind der Alltag des schwindenden Lehrpersonals, berichtet der Lehrergewerkschafter. In vielen Schulen müssen Pensionisten und junge, unerfahrene Studenten einspringen. Die Lage wird laut Kimberger in den nächsten Jahren bis 2030 schlimmer werden.
Die Zahlen geben ihm recht: Allein durch die Pensionierungswelle der Babyboomer werden von aktuell 125.020 Lehrkräften 22.973 aus den Schulen wegfallen. "Wir wissen, dass viele aus Überlastung den Beruf bereits verlassen haben und Weitere folgen werden“, ergänzt Kimberger die Prognosedaten aus dem Bildungsministerium.
Gleichzeitig steigen die Schülerzahlen bis 2030/31. In der Volksschule werden bis 2031 um 27.460 mehr Kinder sitzen als 2021/2022. In der Sekundarstufe werden statt aktuell 599.024 bis 2035/36 660.119 Schülerinnen und Schülern die Schulbank drücken. Zudem: Selbst, wenn alle pensionierten Lehrkräfte nachbesetzt werden würden, fehlen bis 2030 11.144 Vollzeitkräfte.
Ewiger MINT-Mangel
Nicht alle Fächer aber erleben einen Lehrerschwund und -mangel. Besonders die MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und technische Fächer sind schwer zu besetzen.
Wie viele Lehrer zum Schulstart im Herbst fehlen werden, wisse das Ministerium noch nicht – der Bewerbungsprozesse laufe noch.
Um dem sicheren Mangel aber entgegenzuwirken, will Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) das Lehrer-Image verbessern – wie, ist noch offen. Mit der nächsten Dienstrechtsnovelle – sie wird am 7. Juli im Parlament debattiert – sollen die Bedingungen für Quereinsteiger verbessert werden. Ein spezielles Aufnahmeverfahren sowie ein berufsbegleitender Lehrgang werden an den Pädagogischen Hochschulen verankert. Zudem sollen Lehrer leichter zwischen Schulformen wechseln können.
Für Lehrervertreter Kimberger kommen die derzeitigen Maßnahmen "viel zu spät“ und er bezweifelt auch, dass sie reichen werden.