Chronik/Österreich

Gehackte Pay-TV-Sender zum Schnäppchenpreis: 20 Festnahmen in Österreich

540 Euro kostet derzeit das teuerste Abo des Pay-TV-Anbieters Sky pro Jahr. Zehntausende Kunden in Österreich und Deutschland dürften aber nur einen Bruchteil bezahlt haben. Damit nicht genug, sollen auch Netflix-, Amazon- und DAZN-Zugänge zum illegalen Schnäppchenpreis angeboten worden sein.

Möglich wurde das, weil ein kriminelles Netzwerk mit bis zu 80 Tätern ohne Befugnis Zugänge zum sogenannten „Internet Protocol Television“ vertrieb – also zu Inhalten, die über das Internet und nicht via Kabel oder Satellit empfangen werden.

➤ Mehr lesen: Wochenlang Geschäftsmann erpresst: Polizei schnappt Schutzgeld-Bande

Der Fall kam ins Rollen, als ein deutscher Pay-TV-Anbieter Anzeige wegen Urheberrechtsverletzungen erstattete. Die Spur führte auch nach Österreich, wo sich das Bundeskriminalamt einschaltete.

Alle Inhalte anzeigen

IT-Forensiker konnten in Folge ein Netzwerk mutmaßlicher Täter ausforschen. Bei den Verdächtigen handelt es sich um türkische Staatsbürger, die in Österreich und Deutschland leben. „Einige der Beschuldigten sind Informatiker, das Netzwerk an Verkäufern wuchs durch Mundpropaganda“, erzählte der leitende Ermittler Gabriel K. am Dienstag vor Medien.

Mehrstufige Betrugsmasche

Die Haupttäter sind im Alter von 23 bis 35 Jahren und haben Informatik-Studien oder entsprechende HTL-Zweige abgeschlossen. Sie sollen seit 2016  verschlüsselte TV-Signale entschlüsselt und unter der Hand regelrecht verscherbelt haben.

60.000 Cybercrime-Anzeigen
So viele Delikte im Zusammenhang mit Internetkriminalität wurden 2022 in Österreich angezeigt

95 % Dunkelziffer im Web
Ermittler gehen davon aus, dass bei Weitem nicht alle Verbrechen im Internet angezeigt werden

Häufige Maschen
Phishing-Seiten, der Tochter-Sohn-Trick oder Anlagebetrug zählen im Netz zu den häufigen Delikten

Speziell in Hinblick auf die Fußball-EM 2024 boome das Geschäft. Manuel Scherscher, Abteilungsleiter für Betrug und Wirtschaftskriminalität, sprach von „einem völlig neuen Phänomen dieser Qualität“.

➤ Mehr lesen: Wenn die Kryptofalle zuschnappt: 30 Milliarden Verlust seit 2017

Zehntausende Endkunden haben offenbar für eine Jahresgebühr von rund 100 Euro die Zugänge gekauft. Im Vorfeld entschlüsselten laut Polizei sogenannte „Lieferanten“ die Signale auf Basis einmal erworbener Accounts. Die „offenen“ Signale konnten dann hundertfach angeboten werden.

Im nächsten Schritt stellten die „Anbieter“ –  die mutmaßlichen Haupttäter – 35 Server zur Verfügung, die das illegale Streaming professionell ermöglichten. Auf der untersten Ebene verkauften schließlich „Vertriebler“ die Zugänge. Die dürften 20 bis 40 Euro pro illegalem Zugang bezahlt haben. Die Endkunden mussten das Drei- bis Vierfache hinlegen. Jeder Vertriebler hatte zwischen 300 und 2.500 Kunden. Der Schaden könnte demnach in die Milliardenhöhe gehen, hielt Scherscher fest.

Kunden auf Facebook gekeilt 

„Die Kunden wurden anfangs über soziale Medien wie Tiktok oder Facebook auf das Angebot aufmerksam. Später sprach es sich  herum. Käufer wurden  auch als Vertriebler angeworben“, erläuterte Betrugsbekämpfer Gabriel K. das  Geschäftsmodell.

➤ Mehr lesen: Verdacht illegaler Prostitution: Handel mit Krebsen führte in "Massagestudio"

Der Handel mit den Pay-TV-Zugängen lief bis heuer im Frühjahr, als Polizisten die erste von zwei Razzien durchführten. Insgesamt waren 40 Ermittler in Wien, Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg und Salzburg an der Festnahme 20 Verdächtiger beteiligt.

Die Männer sollen das Geld durch den Kauf luxuriöser Immobilien und durch Unternehmensbeteiligungen gewaschen haben. Und zwar bis zum Zugriff der Ermittler bei zwei groß angelegten Razzien im heurigen Frühjahr und im Spätsommer. 40 Ermittler schlugen in Wien, Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg und Salzburg zu und nahmen 20 Verdächtige fest.

Es drohen bis zu 20 Jahre Haft

Bankguthaben  von 1,6 Millionen Euro, Bargeld und ein Audi A7 wurden beschlagnahmt. Die Festgenommenen sind mittlerweile wieder  auf freiem Fuß. Nach sieben Monaten in Untersuchungshaft haben sie schließlich gestanden. 

 Mehr lesen: KURIER Blaulicht: Der tägliche Newsletter zu Blaulicht-Einsätzen in Wien

Sie erwartet jetzt ein Prozess wegen gewerbsmäßigen Betruges, Geldwäsche sowie wegen Verletzungen des Urheberrechts. Der Strafrahmen beträgt bis zu zehn Jahre Haft. In Deutschland ist zudem bereits ein Zivilverfahren anhängig. Dass sich andere geschädigte Unternehmen anschließen, gilt als wahrscheinlich.