Chronik/Österreich

Baby vom Stiefvater: Zwölf Jahre Haft und Einweisung

Montagfrüh begann einer der aufsehenerregendsten Prozesse des Jahres am Landesgericht Eisenstadt. Mit einer blauen Mappe vor dem Gesicht versucht sich der 34-jährige Angeklagte vor dem Blitzlichtgewitter zu schützen. Der gebürtige Wiener soll im Vorjahr seine elfjährige Stieftochter geschwängert haben. Er muss sich u. a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs vor dem Schöffensenat verantworten.

Wenige Meter entfernt sitzt seine mittlerweile geschiedene Frau, ihr wird – ebenso wie dem Stiefvater – Quälen oder Vernachlässigen einer Unmündigen vorgeworfen. Auch sie bekennt sich schuldig.

Hochzeit statt Spital

Staatsanwältin Patricia Lendzian hielt sich in ihrer Anklage kurz und sparte "aus Rücksicht auf das Opfer" Details aus. "Ich konnte nicht glauben, was die beiden Angeklagten getan haben", so Lendzian. Anstatt mit dem Mädchen, das alleine in ihrem Kinderzimmer im Bezirk Güssing entbunden hatte, ins Spital zu fahren, habe das Paar zwei Tage nach der Geburt geheiratet. Sie hätten die Geburt vertuschen wollen.

Der Fall war aufgeflogen, als die Eltern drei Tage nach der Geburt zu einer anonymen Beratungsstelle gefahren sind, nachdem es der mittlerweile Zwölfjährigen "schlecht gegangen" sei.

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Das Mädchen sei "viel zu spät" ins Spital gebracht worden. "Es sind Schäden entstanden, die bei einer sofortigen Verbringung ins Spital nicht entstanden wären."

Der 34-Jährige, der bereits wegen sexuellen Missbrauchs einer anderen Stieftochter verurteilt wurde, hört sich die Vorwürfe unter Tränen an. Er habe nichts von einer Schwangerschaft bemerkt. Als das Baby da war, habe er erst gedacht, ein Schulkollege wäre der Vater.

Reumütig

"Ich bereue es sehr. Es tut mir wirklich leid", gibt sich der 34-Jährige reumütig. Auf die Frage von Richterin Karin Knöchl, warum sie denn mit dem Mädchen nicht sofort ins Spital gefahren seien: "Wir hatten Angst, dass uns das Jugendamt alle Kinder wegnimmt."

Auch die 37-jährige Mutter will von der Schwangerschaft ihrer Tochter nichts bemerkt haben. Sie habe immer geglaubt, dass ihr Ex-Ehemann, mit dem sie auch zwei gemeinsame Kinder hat, "ein liebevoller Vater" sei. Er sei der "Hausmann" gewesen. Die Kinder ließ sie bei ihm zu Hause, während sie arbeiten ging. Als im Oktober das Jugendamt bei ihr vor der Tür stand, weil man in der Schule einen Verdacht geäußert hatte, habe sie gesagt: "Von wo soll die schwanger sein?" Eine Ultraschall-Untersuchung habe die Tochter verweigert.

Auch von ihr will die Richterin wissen, warum sie nicht früher mit ihrer Tochter ins Spital gefahren sei. "Ich habe nicht handeln können. Ich war wie gelähmt."

Die 37-Jährige wurde – nicht rechtskräftig – zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Gegen das Urteil für den Stiefvater – zwölf Jahre Haft und eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher – meldete die Verteidigerin Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.