Aufgeheizter Innsbrucker Gemeinderat geißelte Willis Sonderverträge
Heftige Kritik quer durch alle Fraktionen ist am Donnerstag auf Innsbrucks Bgm. Georg Willi (Grüne) eingeprasselt. Stein des Anstoßes der äußerst aufgeheizten gemeinderätlichen Debatte war einmal mehr ein Sondervertrag mit der ehemaligen Personalchefin der Stadt. Willi verteidigte die Vereinbarungen, die er mit ihr nach ihrer Abberufung durch den Stadtsenat getroffen hatte, weil er dies "extrem ungerecht" gefunden habe. Die anderen Parteien sahen grüne Günstlingswirtschaft.
Der grüne Bürgermeister hatte nämlich mit der Frau, als sie "nur mehr" als Sachbearbeiterin im Rathaus tätig war, ohne Einbindung der Verwaltung einen Sondervertrag abgeschlossen, der ihr bis zur Pensionierung das Top-Gehalt einer Führungskraft zugesichert hatte. Nach heftiger Kritik ausgehend vom Kontrollausschuss verhandelte er nach und legte erneut in Eigenregie einen Vertrag auf, der eine Reduktion der Überstundenpauschale und eine Befristung bis 2025 (bis zu diesem Zeitpunkt war sie eigentlich als Amtsvorständin bestellt) enthielt.
Willi verteidigt sich
Dass er die Verwaltung "nicht eingebunden" habe, sei "richtig", räumte Willi ein. "Ich nehme diese Kritik auch mit", sagte das Stadtoberhaupt. "Mein Fehler war, diese sondervertragliche Regelung unbefristet zu gewähren", er wollte sie nach ihrer Abberufung aber "finanziell nicht schlechter" stellen. "Sie konnte ja darauf vertrauen, als Amtsvorständin zumindest für fünf Jahre bestellt zu sein", er habe ihr daher das Gehalt gewährt, um arbeitsrechtliche Prozesse zu vermeiden, verteidigte sich Willi unter beständigen Zwischenrufen aus dem Plenum.
"Du stellst dich nicht schützend vor diese Mitarbeiterin, sondern verwendest sie als Schutzschild", fand Stadträtin und Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (FI) harte Worte. Wenn er sich mit der Ex-Personalchefin rechtzeitig geeinigt hätte, hätte er sie geschützt. Die Stadträtin sprach ihm zudem die "Amtsfähigkeit" ab, es stelle ihr die "Gänsehaut auf, wie dieses Amt entwürdigt wird". Außerdem sah sie die Unterstützung der Grünen für Willi schwinden, nachdem drei Grüne zuletzt einen eigenen Klub gegründet hatten: "Bitte schau in deine Reihen. Die Plätze sind leer, du bist eigentlich von allen verlassen." An die grünen Gemeinderatsmitglieder richtete sie noch die Frage: "Merkt denn niemand von euch diese Peinlichkeit? Sagt ihr ihm das nicht? Oder ist er in den Klubsitzungen nicht da?".
FPÖ ortet Sittenwidrigkeit
FPÖ-Vizebürgermeister Markus Lassenberger ortete in den Sonderverträgen weiterhin Sittenwidrigkeit und meinte in Richtung Willi: "Es ist ihm egal, wie viel Steuergeld ausgegeben wird". Der Stadtchef habe "keine Ahnung gehabt, was er unterschreibt", denn dies sei "absolutes Chaos" gewesen. "Wer kann dem Herrn Bürgermeister noch vertrauen? Niemand!", meinte Lassenberger. Nun gelte es, alle Verträge von Willi zu prüfen und er versprach: "Wir werden darauf pochen, dass es keine Sonderbehandlungen à la Georg Willi mehr gibt". Die Stimmung sei deswegen im Rathaus "mies", der "Rathausfunk" würde aber schlicht nicht zu Willis Büro durchdringen.
"Ich hätte es in diesem Ausmaß nie geglaubt, dass es Gleiche und Gleichere gibt, je nach Nähe zum Büro des Bürgermeisters", zeigte sich auch ÖVP-Klubobmann LAbg. Christoph Appler entrüstet. Der Schaden sei bereits angerichtet, nun gelte es, Schadensminimierung zu betreiben. Der neue Vertrag mit der Ex-Personalamtsleiterin werde den Kontrollausschuss jedenfalls weiterhin beschäftigen. Willi hätte jedenfalls die Expertinnen und Experten des Hauses miteinbeziehen müssen. Magistratsdirektorin Gabriele Herlitschka - die nach Ansicht der Parteien jedenfalls miteinbezogen werden hätte müssen - zitierte während der Sitzung aus einem E-Mail, in dem sie den Bürgermeister vor allfälligen strafrechtlichen Konsequenzen gewarnt und sich mit seiner Vorgehensweise nicht einverstanden gezeigt hatte.
"Kein Einzelfall"
SPÖ-Stadtparteichef Benjamin Plach war fassungslos, dass Willi wiederholt Sonderverträge - obwohl diese Praxis bereits vom Kontrollamt scharf kritisiert worden war - im Alleingang verfasst habe. Es brauche daher Änderungen im Stadt- und Vertragsbedienstetenrecht. "Die Freiheit der Sonderverträge müssen ein Ende haben", sagte Plach, der darauf verwies, dass Sonderverträge an und für sich keine Erfindung des grünen Bürgermeisters seien. "Das ist kein Einzelfall", hielt er fest.
Zu einer bemerkenswerten Generalabrechnung mit dem ehemaligen Fraktionskollegen holte die "grüne Abtrünnige" Marcela Duftner (Lebenswertes Innsbruck) aus. Sie wehrte sich dagegen, dass Willis Vorgehen "grüne Politik" sei und verstand nicht, warum sich die Landespartei dazu nicht äußere. Außerdem sah sie "Günstlingswirtschaft" und bezeichnete Willi als "frauenfeindlich": "Du benutzt sie!", sagte Duftner zu Willis Umgang mit der Frau.
"Genau für solche Fragen sind kundige Juristen nötig", sagte Abg. Julia Seidl (NEOS). Sie sah nämlich durchaus die Problematik, dass die Ex-Personalchefin zum Zeitpunkt ihrer Abberufung einen gültigen Vertrag gehabt habe. Liste Fritz-Gemeinderat Thomas Mayr bemängelte, dass die Grünen wohl ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden: "Wer weiß, dass die Grünen immer schon die Verfechter von Transparenz waren, den muss es wundern, dass ausgerechnet ein grüner Bürgermeister eine derartige Hinterzimmerpolitik betreibt". Gerechtes Innsbruck-Mandatar und Kontrollausschussvorsitzender Gerald Depaoli fand Willi für "nicht mehr tragbar", er solle diesen "Spuk beenden" und zurücktreten. Neben dem materiellen Schaden gebe es auch einen "gewaltigen Imageschaden". Für Mesut Onay (ALI) brauche es nun "strukturelle Konsequenzen", "damit ordentlich mit Steuergeld umgegangen wird".
Vorgeschichte
Im Herbst hatte ein Kontrollamtsbericht unter anderem hohe Zulagen, Sonderbehandlungen und -verträge für einzelne Mitarbeiter in Willis Umfeld und Sondervereinbarungen für die Personalchefin hinterfragt bzw. kritisiert. Dies hatte zur Abberufung der Personalchefin durch den Stadtsenat geführt, wobei Willi dies kurzerhand durch die Auflösung des Personalamts und der Schaffung einer Stabsstelle "Personalmanagement" zu verhindern versuchte. Der grüne Bürgermeister musste nach einer Rüge durch die Gemeindeaufsicht aber den Umbau rückgängig machen.
Das Polit-Urgestein Willi ist seit längerer Zeit politisch schwer angeschlagen. Seine Viererkoalition aus Grünen, "Für Innsbruck", ÖVP und SPÖ zerbrach im vergangenen Frühjahr. Seitdem herrscht das "freie Spiel der Kräfte" mit stetigen Scharmützeln. Die politischen Konkurrenten kritisierten stets mangelnde Teamfähigkeit, Transparenz, Führung, Alleingange sowie ideologiegetriebene Politik des Bürgermeisters, der zuvor stets auch überparteilich geachtet worden war. Gezielt wurde vor allem auch auf das Umfeld Willis. Der Bürgermeister und seine Mitstreiter sahen hingegen stets eine "rechtskonservative Allianz" mutwillig ambitionierte Reformpläne für die Stadt torpedieren.