BVT: Einer der Hauptvorwürfe löst sich in Luft auf
Das Ermittlungsverfahren rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch artet immer mehr zu einer Justiz-Groteske aus. Denn einer der Kernwürfe als Rechtfertigung für die Razzia, nämlich die angeblich illegale Beschaffung und Weitergabe von drei nordkoreanischen Passrohlingen, löst sich nun in Luft auf.
Dabei hatte die Korruptionsstaatsanwaltschaft in den Hausdurchsuchungsanordnungen schwere Geschütze aufgefahren. Sie behauptete darin, dass sich der BVT-Referatsleiter für Nachrichtendienste und sein Asien-Sachbearbeiter 30 Passrohlinge rechtswidrig von der Staatsdruckerei beschafften, mit dem Vorsatz, die nordkoreanische Diktatur und die Staatsdruckerei bei der Erfüllung ihre vertraglichen Pflichten zu schädigen. Denn sie haben drei Muster-Rohlinge dem südkoreanischen Nachrichtendienst übergeben – zu Vergleichszwecken.
Keine Seriennummern
Nun stellte sich heraus, dass zu besagtem Zeitpunkt der Liefervertrag der Staatsdruckerei mit Nordkorea längst erfüllt war. Die Staatsdruckerei hat bereits am 25. März 2016 190.000 biometrische Passrohlinge samt Soft- und Hardware für die Personalisierung an das kommunistische Regime geliefert.
„Erst nach Auslieferung der Passrohlinge und des Personalisierungsequipments an die Volksrepublik Nordkorea wurden aus der Überproduktion durch einen damaligen Auslandsgeschäftsführer 30 Stück Rohlinge ohne Seriennummern und ohne Personendaten an den BVT-Referatsleiter ausgehändigt“, schreibt Rüdiger Schender, Anwalt der Staatsdruckerei, an die Korruptionsstaatsanwaltschaft.„Die Einfügung der Seriennummern, die Beschreibung der Computerchips und die Personalisierung ist nur durch Nordkorea mit dem von der Staatsdruckerei gelieferten Equipment möglich.“ Zusatz: „Es handelt sich um nicht einsatzfähige Reisepass-Rohlinge, die zu Zwecken der Überprüfbarkeit der Echtheit nordkoreanischer Reisepässe übergeben wurden.“
Oder anders gesagt: Weder können die Rohlinge missbräuchlich verwendet werden, noch gibt es einen Schaden. Unklar ist, wie eine freiwillige Weitergabe an eine Behörde strafrechtlich als Amtsmissbrauch qualifiziert werden sollte. Aber das ist Sache der Gerichte.
Klären müssen die Gerichte auch, ob eine vom Innenministerium genehmigte Dienstreise der zwei BVT-Mitarbeiter nach Südkorea strafrechtlich als Bestechlichkeit ausgelegt werden kann, weil die Südkoreaner die Kosten übernahmen.
Ein anderer BVT-Mitarbeiter war 2015 sogar vier Wochen auf Dienstreise in Südkorea – nicht nur zur Sprachausbildung. Diese Kosten trug auch der südkoreanische Geheimdienst. Das ist aber nicht Gegenstand der Ermittlungen.