Wo Kinder das Gemüse selbst anbauen, essen sie es lieber
Von Ute Brühl
Rund 20 Kinder gehen im Gänsemarsch durch das frisch angelegte Beet. Mit Schnüren markierte Wege zeigen, wo die Buben und Mädchen hintreten dürfen und wo nicht. Sie achten sehr genau darauf, nicht über die Linien zu treten.
Das Beet, in dem sie marschieren, wurde kurz zuvor vom Team des Sozialunternehmens Ackerracker angelegt – in einem Rasenstück des Casa-Kindergartens in Hirschstetten (ein Bezirksteil von Wien-Donaustadt).
Ziel des Projekts ackerracker.at ist es, jungen Menschen nahezubringen, woher die Lebensmittel kommen. Daniel Klas, Geschäftsführer des Vereins, präzisiert: „Kinder sollen von klein auf einen Bezug zur Landwirtschaft und zum Gemüseanbau bekommen.“
Positiver Nebeneffekt: Wer sein Gemüse selbst anbaut und beim Gedeihen zusieht, der isst es auch lieber. Brokkoli wird so für manche zum Lieblingsgericht.
Acker-Coach Laura Schmitz zeigt den Kindern in Hirschstetten das Gemüse, dessen Samen an diesem Tag in die Erde soll: „Wisst ihr, was das ist?“, fragt sie. „Eine Kohlrabi“, ruft ein Bub. „Das überrascht mich“, lobt Schmitz, denn das erkennen die wenigsten. Und was ist das? „Eine Karotte“, rufen die Kleinen im Chor. Nicht nur das werden die Kinder jetzt anbauen, sondern auch Paradeiser, Erdäpfel, Zucchini, Zuckermais oder Zwiebeln.
Einige graben jetzt mit ihrer Schaufel ein Loch in die Erde, andere laufen um die Wette zum Wasserhahn, um ihre Gießkanne zu befüllen – sie wollen die Erde befeuchten, um sie so für die Jungpflanzen vorzubereiten, die jetzt gesetzt werden.
Eine Furche graben
Etwas anders ist es bei den Erdäpfeln. Die Kinder graben eine Furche, legen fünf bis sechs Knollen hinein, die sie dann bedecken – welch ein Spaß! Sobald in den nächsten Tagen und Wochen ein Blatt hervorscheint, bedecken sie diese mit Erde – am Ende entsteht ein kniehoher Hügel, aus dem die Kinder im Spätsommer Erdäpfel buddeln.
Laura Schmitz wird die Kinder übrigens nochmals besuchen: Wenn Gemüse wie Kartoffeln oder Karotten geerntet sind, werden gleich Kresse und Radieschen nachgesät – so kann man bis in den Herbst hinein ernten.
Die Kinder können nicht nur dem Gemüse beim Wachsen zusehen. Für die Pädagoginnen gibt es einiges an Zusatzmaterial wie zum Beispiel die Handpuppe Rudi Radieschen, die lustige und spannende Gartengeschichten erzählt, wie etwa die vom großen Jucken: Da wird erklärt, was für die Pflanzen Schädlinge, was Nützlinge sind: „So verstehen Kinder, warum Blattläuse gar nicht gut für die Karotten sind und wie man sie bekämpfen kann“, erläutert Klas.
Sommer und Herbst bleiben den Kindern des Casa-Kindergartens jedenfalls in Erinnerung: Wer dem Gemüse beim Wachsen zusieht und es selbst ernten kann, isst es danach besonders gern.
Auch in der Schule
Klas und sein Team gehen übrigens nicht nur in Kindergärten – für Schulen gibt es das angepasste Programm gemüseackerdemie.at. Schülerinnen und Schüler der 3. bis 6. Schulstufe bauen dabei nicht nur ihr eigenes Gemüse an, sondern erfahren auch, wie viele Ressourcen in frischen Lebensmitteln stecken und wie Wertschöpfungsketten funktionieren. Ziel der gemeinnützigen Organisation ist es, bis 2030 jedes Kind in Österreich zu erreichen.