Chronik/Oberösterreich

Stefan Kaineder: "Unsere Wirtschaft ist furchtbar erpressbar“

Stefan Kaineder ist als grüner Landesrat für die Themen Umwelt und Klima zuständig. Seit 2019 fungiert er nicht nur als Landessprecher der Grünen OÖ, sondern auch als stellvertretender Bundessprecher der österreichischen Grünen.

KURIER: Aufgrund des Ukraine-Krieges hat die Energiewende eine neue Dringlichkeit bekommen. Wie gelingt die Wende?

Stefan Kaineder: In Oberösterreich muss man alle Potenziale heben, die wir bei den erneuerbaren Energien haben. Zwei Drittel unserer Primärversorgung sind noch fossil, das muss man umstellen. Aus unserer Sicht müssen wir dafür bis 2030 100 Windräder in OÖ bauen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, es ist machbar, braucht aber politisches Commitment.

Ein zweiter Faktor ist die Sonnenkraft durch Fotovoltaik. Da ist viel Dynamik bei den Privaten. Als riesigen Hebel gibt es dann aber auch noch Parkflächen. Wir haben 2.900 Parkplätze, die mehr als 20 Parkstellflächen haben. Wenn man da sukzessiv die Fotovoltaik als Überdachung ausbaut, dann schaffen wir einen Meilenstein in der Energiewende. Politisch muss man mit den Parkplatzbesitzern ins Gespräch kommen. Fragen, woran es scheitert und Stolpersteine beseitigen.

Sie sind im Umkehrschluss also auch für neue Stromtrassen und Umspannwerke? Anders wird man den künftigen Stromfluss nicht stemmen können.

Ja, wir brauchen Stromnetze, die diese Energie transportieren. Und wir merken, dass dort ein Engpass ist. Es ist eine riesige Herausforderung für die Netzbetreiber, denn das beginnt schon bei den Anschlüssen am Hausdach für die Fotovoltaik, die oft nicht möglich sind, weil die Netze nicht gerüstet sind. Da müssen wir nachbauen.

Im Zentralraum haben wir etwa eine große Hochspannungsleitung für die voestalpine zu bauen. Die Voest stößt ein Drittel aller CO2-Emissionen Österreichs aus. Wenn die die gesamte Stahlproduktion auf Elektro umstellen – was klug ist –, braucht die Voest sehr viel Strom und dafür wird an einer Leitung geplant. Ich bin zuständig für die Umweltverträglichkeitsprüfung und wir werden das zügig über die Bühne bringen. Es ist ein Kompromiss, den wir machen müssen.

Nun kommt es beim Fotovoltaik-Ausbau schon früh zu Problemen: Lange Lieferzeiten, fehlende Fachkräfte für die Montage. Bei den Privaten scheitert es häufig am Geld.

Das ist richtig, aber ein gutes Zeichen. Weil das heißt, die Energiewende dynamisiert sich. Die Installateur-Betriebe sind gut ausgelastet und die Lieferung von Fotovoltaik-Anlagen und Wechselrichtern ist nicht auf die Stunde möglich. Das ist aber nicht dramatisch. Ist die Nachfrage groß, dann zieht die Produktion auch an.

Menschen, die ein Dach, aber kein Geld für Fotovoltaik haben, sollen sich mit ihrem Energielieferanten auseinandersetzen. Es gibt Contracting-Modelle, da brauche ich selber gar kein Geld. Da bekomm’ ich eine Fotovoltaik-Anlage auf mein Dach, die zehn Jahre vom Energieversorger betrieben wird und danach mir gehört.

Sie sehen also keine Notwendigkeit, die Förderungen noch nachzubessern?

In der Fotovoltaik braucht es ganz sicher keine neuen Förderungen. Die grüne Energieministerin hat mit dem erneuerbaren Ausbaugesetz dafür gesorgt, dass heute für dessen Ausbau 13-mal so viel Geld am Tisch liegt wie noch vor zwei Jahren.

Die Grünen stehen neben erneuerbarer Energie auch für Naturschutz. Naturschützer stehen Windrädern jedoch oft skeptisch gegenüber. Wie gelingt der Spagat?

Dass es heikle Gebiete gibt, in denen ein Windrad ein Natur- und Umweltproblem ist, ist unbestritten. Aber auch, dass es große Flächen gibt, die vom Naturschutz her kein Problem sind. Dort müssen wir Windräder bauen.

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Wo genau?

Es gab vor 20/15 Jahren einen Wind-Masterplan, der Vorrangzonen ausgewiesen hat. Der ist unter der schwarz-blauen Landesregierung aber zum Wind-Verhinderungsplan geworden, weil alle Vorrangzonen gestrichen wurden. Seither gibt es keine neuen Windräder. Das ist fatal. Beim bestehenden Windpark Sternwald die Leistung zu vervierfachen, wäre relativ unkompliziert. Im Windpark Munderfing muss man prüfen, ob mehr Windräder installiert werden können. Es gibt in der Mondsee-Region auch ein konkretes Projekt, wo sich die Gemeinderäte schon einmal dafür aussprachen.

Wie vermitteln Sie die Pläne kritischen Bürgern?

Wir müssen uns für eines entscheiden und beim russischen Gas ist es halt so, dass wir mit der Gasrechnung die Bomben bezahlen, die Wladimir Putin auf unschuldige Menschen in der Ukraine wirft. In Zukunft werden wir uns freuen, wenn wir durchs Land fahren und uns diese Windräder Unabhängigkeit signalisieren. Weil ehrlich gesagt, sind viele unsere Gas- und Öllieferländer keine befreundeten Demokratien. Kommt es dort zu Konflikten, dann ist die österreichische Wirtschaft furchtbar erpressbar.

Zwischen Ihnen und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) gibt es häufig Diskussionen. Wie ist das Verhältnis?

Wir haben eine gute Gesprächsbasis, aber tatsächlich sehr unterschiedliche Ansichten darüber, was Politik in dieser Energiekrise machen sollte. Landesrat Achleitner sagt, er hat eine Fotovoltaik-Strategie. Wenn man sie genau liest, dann steht da quasi drinnen, dass Anlagen halt nicht verhindert werden sollen. Ich glaube, es müsste anders gemacht werden.

Mit mehr Vorschriften?

Ich finde, dass bei jedem neugebauten Haus die Fotovoltaik-Anlage aufs Dach muss, bei jedem Parkplatz die Fotovoltaik-Anlage hin muss. Das ist keine Frage mehr des „Gefällt mir“. Es ist die Verantwortung der Politik, klar zu sagen, was es braucht, um aus der Krise zu kommen.

Ihre Linie kommt laut einer Umfrage der OÖ Nachrichten scheinbar gut an. Ihre Sympathiewerte sind gestiegen. Was macht Sie so sympathisch?

Das muss man andere Menschen fragen (lacht). Was ich herauslese, ist einerseits ein Vertrauensverlust in die ÖVP durch Skandale wie durch Oberösterreichs Seniorenbund. Andererseits, dass die Menschen das Vertrauen in uns Grüne nicht verlieren. Daran arbeiten wir seriös an jedem Tag. Schön, dass das gesehen wird.