Chronik/Oberösterreich

Kerschbaum-Klage gegen LIVA: Abrechnung mit Ex-Stadtchef Luger

Angekündigt ist sie schon länger, jetzt liegt sie am Tisch. Die Klage von Dietmar Kerschbaum gegen die Linzer Veranstaltungsgesellschaft LIVA, zu der auch das Brucknerhaus gehört. 

Auch die Höhe der Summe - eingefordert werden fast drei Millionen Euro - ist nicht mehr überraschend. Bemerkenswert sind aber die Details, mit denen die Anwälte Kerschbaums Position untermauern. 

Denn der Schriftsatz, der dem KURIER vollständig vorliegt, hat es in sich. Stimmen die Aussagen, zeichnet die Klage ein Sittenbild nach, das den früheren Bürgermeister der Stadt Linz, Klaus Luger (SPÖ), in einem nicht besonders guten Licht erscheinen lässt. 

Aber der Reihe nach: Die Klage zielt darauf ab, Lugers Rolle in der ganzen Brucknerhaus-Affäre - beginnend bei der Bestellung Kerschbaums zum künstlerischen Direktor - klarzulegen, dieses "Drehbuch" schreibt Luger die Hauptrolle zu.

"Faktischer Geschäftsführer" 

"Klaus Luger war nicht nur faktischer Geschäftsführer der beklagten Partei, sondern auch faktischer Geschäftsführer sämtlicher mittelbar oder unmittelbar im Eigentum der Landeshauptstadt Linz stehenden Gesellschaften", ist Kerschbaums Anwalt Bernhard Steinbüchler von den Florianer Rechtsanwälten in der Klage überzeugt. 

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Dabei sieht das Gesellschaftsrecht keine Durchgriffsrechte des Eigentümers auf die operative Gebarung vor, im Gegenteil. 

Luger habe sich selbst „die Generalversammlung“ genannt und sei von den maßgeblichen Mitarbeitern auch so genannt worden. "Es konnte von sämtlichen Geschäftsführern aller Gesellschaften der Stadt Linz niemals eine Entscheidung gegen den Willen des Bürgermeisters Luger getroffen werden", geht der Anwalt von einer Art Allmacht des Linzer Bürgermeisters aus.

"Gutdünken und politisches Interesse"

Das habe sich darin gezeigt, dass Luger Verträge, die die Geschäftsführer Rainer Stadler und Klaus Kerschbaum geschlossen hatten, "nach seinem Gutdünken und nach seinen vor allem politischen Interessen" abgeändert habe. 

Das wird auch mit konkreten Beispielen unterlegt: Die Liva wollte für die Berichterstattung im ORF über Brucknerfest und Klangwolke 2023 kein gesondertes Entgelt zahlen - weil überregionales Interesse an einer redaktionellen Berichterstattung bestanden habe. 

Luger habe die Geschäftsführer aber nach einem Gespräch mit dem Landesdirektor angewiesen, eine Zahlungsverpflichtung von rund 18.000 Euro zu unterschreiben. Beim Linz Marathon sei es dann um 70.000 Euro gegangen, die die Geschäftsführer "gegen ihren ausdrücklichen Willen" bezahlen mussten. 

"Nicht fragen, es ist so"

"Entsprechende Proteste der beiden Geschäftsführer tat Luger regelmäßig mit folgenden Worten ab: „nicht fragen, es ist so“, bzw. „greifts ma des net an“, formuliert Steinbüchler in der Klage eine angebliche Aussichtslosigkeit der Geschäftsführer. 

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Weiter zurück liegt ein Vorfall, der auch in der Klage aufgerollt wird. Da geht es um den umstrittenen Theatervertrag, der seitens der Stadt 2018 aufgekündigt wurde. "Gegen den Willen und ohne Möglichkeit der Einflussnahme der Geschäftsführer", versichert Steinbüchler im Namen seines Mandanten in der Klagsschrift. 

Kerschbaum hatte damals für das Jahr 2020 eine Summe von 400.00 Euro kalkuliert. Dieser Betrag sei von Luger mit einem Handstreich auf 650.000 Euro nach oben korrigiert worden, mit den Worten: "Er hat mit LH Stelzer gesprochen und er musste einen Deal mit ihm machen“.

Auch die Honorare für das Brucknerorchester seien "aus politischen Gründen" höher als marktüblich ausgefallen. 

Selbst als Kerschbaum vorgeworfen wurde, sich den Posten des künstlerischen Direktors "erschlichen" zu haben, habe dieser geschwiegen: "Der Kläger vertraute darauf, dass die Angelegenheit von Bürgermeister Luger – so wie zugesagt - geregelt werden würde."

Das passierte dann - aber offenbar nicht im Sinne Kerschbaums. "Offenbar beschloss Luger, den Kläger zu „opfern“, um von seinem eigenen Fehlverhalten abzulenken", ist Steinbüchler überzeugt, weil Luger davon ausgegangen sei, dass der Kläger den Chat-Verlauf - so wie er ihm das aufgetragen hatte - gelöscht hatte.

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Was aber nicht der Fall war. Und diese Chats im Vorfeld der Bestellung Kerschbaums überführten Luger schließlich als Lügner, er musste - nach einem kurzen Aufbäumen - zurücktreten. 

In einer zuvor laufenden "Medienkampagne" gegen Kerschbaum habe Luger verschwiegen, dass er selbst das umstrittene Honorar Kerschbaums (anfangs 168.000 Euro, es wurde 2022 zumindest im Wissen Lugers im Zuge der Vertragsverlängerung auf 212.000 Euro erhöht) vereinbart habe, auch seien alle Engagements und Auftritte Kerschbaums, die ihm schließlich zum Vorwurf gemacht wurden, ausschließlich im Wissen des Bürgermeisters erfolgt.

 Die Auftritte Kerschbaums seinen immer vom - dann auch entlassenen - kaufmännischen Geschäftsführer unterschrieben worden, das Engagement von Kerschbaums Frau sei notwendig gewesen, um die Aufführung der "Fledermaus" nicht absagen zu müssen. Das hätte noch höhere Kosten verursacht, heißt es in der Klage. 

10 Millionen Euro Sponsoring

Und den Kerschbaum vorgeworfenen hohen Spesen hält dieser in der Klage entgegen, dass er 10 Millionen Euro an Sponsoringgeldern aufgestellt habe: "Das wurde auch immer verschwiegen."

Jedenfalls sind Steinbüchler und sein Mandant Kerschbaum überzeugt, dass die Entlassung ungerechtfertigt gewesen sei und Luger darüber hinaus auch Mobbing gegen den früheren künstlerischen Direktor betrieben habe. 

Nebentätigkeiten und vorgeworfene Abwesenheiten erklärt Kerschbaum in der Klage damit, dass diese "freizügige Dienstzeitregelung mit Luger abgesprochen" gewesen sei. 

"Fürsorgepflichten verletzt"

Die LIVA habe ihre Fürsorgepflicht Kerschbaum gegenüber verletzt, indem niemand unrichtigen Vorwürfen widersprochen und unvollständige Angaben in der Öffentlichkeit ergänzt habe: "Sie hat keinerlei Maßnahmen gesetzt den Kläger gegen die Anschuldigungen zu schützen, vielmehr hat sie wesentlich und massiv dazu beigetragen, den Kläger in der Öffentlichkeit „hinzurichten“ und seine berufliche Karriere zu verunmöglichen."

Darüber hinaus sei den entlassenen Geschäftsführern untersagt worden, mit jemandem - insbesondere nicht mit Medien - zu kommunizieren, bei einem angenommenen Verstoß  dagegen - laut Kerschbaum habe er Sponsoren über seine Freistellung informiert - habe es überdies sofort eine schriftlichen Abmahnung gegeben. 

Für Steinbüchler ist damit insgesamt auch klar: "Diese Handlungen der beklagten Partei in Person des faktischen Geschäftsführers können nur als
Mobbing angesehen werden, da sie offenbar entgegen besserem Wissen des Bürgermeisters mit dem Ziel erfolgten, den Kläger aus dem Dienstverhältnis zu drängen."

Engagements in China verloren

Darüber hinaus sei es Kerschbaum aufgrund der Berichte nicht mehr möglich, Engagements zu erhalten - vielmehr sei ihm ein Schaden durch gekündigte Auftritte in China entstanden - der auch eingeklagt wird. 

Die Rechnung wird der städtischen Tochtergesellschaft jetzt in Form dieser Klage präsentiert. Ob sie diese auch bezahlen muss, werden Gerichte zu entscheiden haben. Eine außergerichtliche Einigung habe nicht erzielt werden können, heißt es.

Vertragsentgelt bis Ende Juli 2027 (Vertragsende): 750.000 Euro

Keine Chance auf weitere adäquate Jobs bis zum Pensionsantritt 2035: 2 Millionen Euro

Kündigungs- und Urlaubsentschädigungen: ca. 105.000 Euro

Zwei entgangene Auftritte in China: 35.000 Euro

Schmerzensgeld (wegen der durch die Vorwürfe ausgelösten Erkrankung): 10.000 Euro

Gesamt eingeforderte Summe: ca. 2,9 Millionen Euro

Der geschäftsführende SPÖ-Vizebürgermeister Dietmar Prammer verweist auf die Anwälte der LIVA und äußert sich nicht dazu. Und diese lassen wissen, dass die LIVA - also letztlich die Stadt als Eigentümer - nichts zahlen wolle.

"Berechtigte Entlassung"

Johannes Edthaler von der Linzer Kanzlei Leitner Law, dem die Klage noch nicht vorliegt, beantwortet die Anfrage des KURIER in einer kurzen Stellungnahme: "Die LIVA hat Mag. Kerschbaum aus mehreren Gründen berechtigt entlassen. Mag. Kerschbaum hat in mehreren Fällen seine Sorgfalts- und Interessenswahrungspflicht als Geschäftsführer der LIVA verletzt."

Der LIVA sei daher die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wegen Vertrauensunwürdigkeit nicht mehr zumutbar gewesen, auch der Vorwurf der Rufschädigung gehe ins Leere: "Das wird das von Mag. Kerschbaum angestrengte Gerichtsverfahren zeigen." 

Ein Gespräch am Montag zwischen Kerschbaum, seinem Anwalt und der LIVA hatte auch zu keiner Annäherung geführt. 

"Von Hass geprägte Feindschaft"

Kontrollausschussobmann Georg Redlhammer (Neos) kennt den Fall Kerschbaum von Anfang an. Er findet es "angesichts der Faktenlage befremdlich, dass sich Herr Kerschbaum nun von aller Schuld reinwäscht". 

Er stelle fest, dass "aus den zunächst ziemlich besten Freunden, eine Feindschaft entstanden ist, die nun von Hass geprägt in eine Schlammschlacht vor Gericht führt". 

Ziel der Stadt müsse sein, dass kein Geld an Kerschbaum gezahlt werden müsse .