Chronik/Oberösterreich

Strom aus Sonne und Wind: Versorgungssicherheit in Österreich auf dem Prüfstand

Strom muss immer verfügbar sein. Das brauchen die Menschen, das braucht der Wirtschaftsstandort. Sonne und Wind sind aber nicht immer verfügbar, das macht sie bei unserem durchgängig hohen Strombedarf als Energiequelle denkbar ungeeignet. Oder doch nicht.

Das Problem am Beispiel des Jahres 2023:  Sonne und Wind lieferten während etwa 350 produktiver Stunden (das ganze Jahr hat 8.760 Stunden) jeweils weniger als 1% der österreichischen Gesamtproduktionsmenge im gleichen Zeitraum, und während etwa 1.500 Stunden weniger als 5%. 

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Es wird auch nach dem geplanten massiven Ausbau von Sonnen- und Windkraft weiterhin zahlreiche Stunden pro Jahr geben, in denen die Witterungsbedingungen nicht zur Stromgewinnung geeignet sind.

Speicher- und Gaskraftwerke

Dann sind wir auf wetter- und tageszeitunabhängige Technologien angewiesen, wie etwa Speicher(-kraftwerke) und Gaskraftwerke. Alleine in Österreich soll der Anteil von Wind und Sonne an der jährlichen Stromproduktion bis 2030 von derzeit 20  auf über 30 Prozent steigen, und 2040 etwa die Hälfte unserer Stromproduktion ausmachen.

Neben der jahres- und tageszeitlichen Unterversorgung mit Sonnen- und Windstrom stellt sich noch eine andere Herausforderung für unsere Versorgungssicherheit: Die Mechanismen der europäischen Strommärkte „wählen“ für die Deckung der Stromnachfrage während einer Stunde jeweils jene Produktionstechnologien aus, welche die geringsten laufenden Kosten verursachen. 

Sonne und Wind sind sehr günstig

Dies sind, wenn vorhanden, Sonne und Wind sowie andere, meist erneuerbare Energieträger, die keine Brennstoffe, wie etwa Erdgas, zur Stromproduktion benötigen. 

Dieser Mechanismus, der seit den Verwerfungen an den Strommärkten im Zuge des Kriegs in der Ukraine weitläufig (und etwas ungenau) als Merit-Order Preismechanismus bekannt ist, sorgt dafür, dass Strom während der Stunden, in denen die Nachfrage allein aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann, sehr günstig ist und teilweise tatsächlich zum Nulltarif (bzw. sogar zu negativen Preisen) am Markt angeboten wird. 

Erneuerbare Energien können so immer mehr Stunden „übernehmen“. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass diese wetterunabhängigen Kraftwerke mit derzeit meist noch fossilem Brennstoffeinsatz immer weniger Stunden pro Jahr Strom verkaufen können, wodurch sich Investitionen in diese Kraftwerkstypen nicht mehr rentieren. 

Erfolg und Dilemma zugleich

Umweltpolitisch gesehen ein Erfolg, versorgungspolitisch gesehen ein Dilemma. Fossile Gaskraftkraftwerke spielen derzeit während sonnen- und windschwachen Stunden noch eine unersetzbare Rolle in der Versorgung mit Strom. Sonnen- und Windstrom werden bereits heute in Pumpspeicherkraftwerken für dunkle und windarme Stunden vorgehalten. 

Und die internationale Forschung zu alternativen Speichertechnologien nimmt erst in den letzten Jahren - unter Beteiligung der Johannes Kepler Universität Linz - richtig an Fahrt auf. Batterien im Industriemaßstab werden immer leistungsstärker und kosteneffizienter. 

Wasserstoff ist ein vielversprechender Kandidat, um Sonnen- und Windstrom nicht nur im Tagesverlauf zu speichern, sondern auch um Energie von den sonnigen Sommermonaten in den dunkleren Winter zu verschieben. 

Keine Einschränkung im täglichen Bedarf

Neue Technologien und Tarifmodelle verschieben den Stromverbrauch automatisiert in Zeiten hoher erneuerbarer Stromproduktion und damit günstiger Preise, ohne dass sich die Konsumenten in ihrem Alltag eingeschränkt müssen. 

Der medial im Fokus stehende Ausbau von Wind- und Solarstromkapazitäten reicht alleine nicht aus um Versorgungssicherheit zu gewährleisten – auch Aspekte wie die Speicherung von tage- und stundenweise über die Nachfrage hinausgehender Sonnen- und Windstrommengen und der Netze zur Bewältigung des zukünftig erhöhten Transportbedarfs von Strom müssen gleichwertig mitgedacht werden. 

Neu installierte Anlagen sind falscher Gradmesser

Den Erfolg der Energiewende alleine an den neu installierten Anlagen zur Produktion von Sonnen- und Windstrom zu messen, könnte für unsere Versorgung fatal sein.

Kurz- und mittelfristig steht es gut um unsere Stromversorgung. Die Europäische Union veranlasst umfassende Analysen, ob ein Mitgliedsland den für die Versorgungssicherheit maßgeblichen Mix an Technologien alleine durch die wirtschaftlichen Anreize des Strommarktes erreichen wird, oder ob Handlungsbedarf besteht. An der Treffsicherheit der Methodik wird noch gearbeitet, auch die JKU forscht dazu. 

Während die Analyse für Österreich noch nicht abgeschlossen ist, zeigt ein Teilbereich dieser umfangreichen Methodik (das sogenannte European Resource Adequacy Assessment) bereits, dass eine gravierende Unterdeckung unserer Stromnachfrage wegen zu weniger wetterunabhängiger Kraftwerke bis 2030 sehr unwahrscheinlich ist. 

Diese Analyse berücksichtigt allerdings bereits die ambitionierten Ziele für erneuerbare Energieträger, die von der Österreichischen Bunderegierung hinsichtlich zusätzlicher Erzeugungskapazitäten für 2030 definiert wurden. Die Zeit danach ist noch nicht in trockenen Tüchern. Vor allem wenn man bedenkt, dass das Erreichen der Ziele für 2030 noch nicht gesichert ist.