Stelzer beim Brucknerfest: "Kunst verträgt sich nicht mit der Lüge"
Von Josef Kleinrath
Die schwere Goldkette von der Eröffnung des Brucknerhauses, die Ex-SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger zum Brucknerfest immer herausgeholt hat, ist heuer im Rathaus geblieben.
Denn die geschäftsführende Vizebürgermeisterin Karin Hörzing begrüßte an diesem Sonntag erstmals mit dem neuen Geschäftsführer des Brucknerhauses, René Esterbauer, alle Gäste persönlich mit Handschlag.
Genannt wurden weder Luger noch Dietmar Kerschbaum, der frühere künstlerische Direktor des Brucknerhauses, dessen Verfehlungen zu seiner Entlassung im Brucknerhaus-Skandal führte. Und letztlich auch Lugers unrühmlichen Abschied in seiner Lügen-Affäre besiegelte. Von schweren Zeiten war die Rede, und davon, dass das Brucknerfest - übrigens unter Regie des noch von Kerschbaum aus dem Haus entfernten Dramaturgen Jan Schmitz - sowie das ganze Brucknerjahr trotzdem erfolgreich bewältigt werden konnte.
Doch Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) schlug gekonnt eine Brücke zwischen Land und Stadt, auch ohne Luger beim Namen zu nennen. "Kunst braucht keine Tricksereien und sie verträgt sich nicht mit der Lüge", betonte er am Rednerpult der städtischen Kulturinstitution Brucknerhaus. "Kultur fördert unser Zusammenleben und blickt nicht auf andere herab."
Neuer Theatervertrag zwischen Stadt und Land?
Und Stelzer nutzte die Gelegenheit, die Hand für einen Neuanfang zwischen der Stadt Linz und dem Land in Sachen Kultur anzubieten, um eine alte Geschichte anzusprechen. "Der Theatervertrag wurde leider von der Stadt gekündigt", erinnert er an eine Entscheidung der Stadt aus dem Jahr 2018, "vielleicht ist gerade heuer die Zeit für einen Neuanfang".
Denn jetzt sei keine Zeit für Befindlichkeiten, "meine Hand ist ausgestreckt, arbeiten wir noch besser zusammen und versuchen wir, auf der dieser Bühne gemeinsam den richtigen Ton zu treffen". Dafür gab es Zwischenapplaus aus dem Publikum.
Expliziter Zuspruch für Hörzing
Besonders deutlichen Applaus gab es übrigens auch für Karin Hörzing (SPÖ). Sie muss als geschäftsführende Vizebürgermeisterin für Luger einspringen.
"Dass die extreme Linke und extreme Rechte in Deutschland immer mehr Zuspruch erhält, ist nicht gut für die Gesellschaft", betonte sie und mahnte mit Blick auf die Bürgermeisterwahlen in Linz "Respekt in der politischen Auseinandersetzung" ein.
Der künftige Bürgermeister werde nach der Wahl "die entsprechenden Weichenstellungen treffen, damit dieses Haus seine sinnstiftende Aufgabe erfüllen" könne. Abschließend wünschte sie dem Team der LIVA und allen anderen "in unruhigen Zeiten eine demokratische, solidarische und friedliche Zukunft".
Dann die mit Spannung erwartet Rede der Philosophin Lisz Hirn. Sie skizzierte Bruckner als "jenseitig", wie er auch von seinem musikalischen Konkurrenten Johannes Brahms bezeichnet wurde.
Jenseitig insofern, als ob sich Bruckner mit seiner Musik von der Enge und der Angst kurieren und "mit seinen ausufernden Klangwelten Weite schaffen" wollte - und dadurch außerhalb bislang geltender Grenzen gelangte.
Dass gerade "Biedermann Bruckner mit der österreichischen Mentalität, das haben wir immer schon so gemacht", bricht, sei bedeutsam, sie plädiert dafür, sich immer mehr Wissen anzueignen. Ansonsten müsse man sich bevormunden lassen: "Von politischen Extremisten, von religiösen Fundamentalisten, von hoch bezahlten Tiktok-Influencern oder von technologischen Endzeitfantasien von Tycoons aus dem Silicon Valley."
Anstatt sich von Algorithmen und Bot-Armeen treiben zu lassen, sei es nötig, wieder Räume zu schaffen, in denen "wir einander wieder zumuten und hören müssen", ist Hirn überzeugt.
Was Kunst darf und muss
Kunst auf die Moral zu reduzieren, nehme ihr die Schlagkraft, sagte Hirn. Kunst müsse einfach auf der Suche nach dem Schönen sein dürfen, müsse überheblich oder sogar verantwortungslos sein: "Wen interessiert Kunst, die nichts riskiert, die nicht das Unmögliche versucht? Anton Bruckner griff in seiner Musik zweifellos nach den Sternen. Was wir als Zuhörer tun müssen, ist uns vom Scheitern des Künstlers, das exemplarisch für das Scheitern aller menschlichen Bemühungen steht, packen zu lassen."
Musik gab es übrigens auch. Das großartige Brucknerorchester unter Dirigent Markus Poschner begeisterte mit der Uraufführung des Werkes "InstAnt on" von Johannes Berauer.
Der Komponist hat Schnappschüsse aus allen Sinfonien Bruckners genommen und schlüssig und stimmig neu interpretiert und zusammengesetzt. Samt dissonantem Abschluss-Akkord. Dafür gab es zurecht Standing Ovations für den Komponisten und das Orchester.