Verteidigungsminister schließt Schule des Militärs
„Ich konnte es fast nicht glauben. Die Leidtragenden sind leider die Schüler.“
Martin M. ist empört. Sein Sohn Clemens ist einer von 57 Schülern, die eine schriftliche Zusage für die Aufnahme an der neuen Sicherheitsschule in Wiener Neustadt in Händen halten. Das Schriftstück ist aber seit Freitag nichts mehr wert. Wie der KURIER in Erfahrung bringen konnte, steht die Schule schon wieder vor dem Aus – bevor sie überhaupt noch in Betrieb gegangen ist.
Sparzwang
Der Grund: Die Armee befindet sich in einer finanziell prekären Situation. Schon im vergangenen März warnte Generalstabschef Robert Brieger davon, dass das Heer kaum noch einsatzfähig sei und deshalb seinen Verfassungsauftrag nicht mehr erfüllen könne. Der Generalstab forderte eine Anhebung des Heeresbudgets von derzeit 2,2 auf mindestens 3,3 Milliarden Euro bis 2022 und ab dann auf mindestens ein Prozent des BIP bzw. über vier Milliarden Euro, um das Notwendigste abzudecken.
Bis dahin muss jedenfalls kräftig gespart werden. Und sparen will der neue Verteidigungsminister Thomas Starlinger bei dem 30 Millionen Euro teuren Schulprojekt in Wiener Neustadt.
Seit Freitag liegen deshalb bei den betroffenen Eltern die Nerven blank. „Mein Sohn hat fix mit diesem Schulplatz gerechnet. Er hat sich lange auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet und es geschafft. Man kann doch nicht im Juni einfach wieder alles absagen“, ist Martin M. erbost.
Hotline für Betroffene
Im Verteidigungsministerium versteht man den Unmut. Den Betroffenen soll aber Hilfe angeboten werden. „Es wird eine eigene Hotline geben, die Eltern werden zudem angerufen und per eMail kontaktiert. Zudem gibt es die Zusage des Bundesministeriums für Bildung, dass die jungen Männer und Frauen woanders untergebracht werden können“, betont Sprecher Michael Bauer.
Betroffen ist auch das Lehrpersonal. Pädagogen sind in anderen Schulen bereits geringere Lehrverpflichtungen eingegangen. Auch politisch fallen die Reaktionen heftig aus. FPÖ-Landesparteiobmann Udo Landbauer bezeichnet die Regierung als „Totengräber einer wichtigen Bildungseinrichtung“.
Der Bürgermeister von Wiener Neustadt und ÖVP-Landtagsklubobmann Klaus Schneeberger ist "überrascht" von der Einstellung der Heeres-Sicherheitsschule. Dies sei ein bedauerlicher Schritt für den Schulstandort Wiener Neustadt und für alle unmittelbar Betroffenen, hieß es am Freitag in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.
„Airpower“ bleibt
Im Gegensatz zur Schule bleibt eine Großveranstaltung aber vom Sparzwang verschont: Die „Airpower“ wird wie geplant am 6. und 7. September im obersteirischen Zeltweg über die Bühne gehen. Auch die Flugschau mit bis zu 300.000 erwarteten Besuchern stand auf der Liste der potenziellen Absagen des Neo-Ministers. Allerdings sind die Planungen zu weit fortgeschritten.
3,6 Millionen Euro sind für die Show budgetiert. Starlinger betont, dass der Anteil des Heeres aus dem Ausbildungsbudget umgeschichtet werde. Dieses Geld fehle aber nun in der Einsatzbereitschaft für die Soldaten. „Ich erwarte mir, dass diese Einschränkungen durch innovatives Entgegenkommen des Landes Steiermark und Red Bull kompensiert werden“, fordert Starlinger. Das bedeutet wohl, dass der Minister sich mehr finanziellen Zuschuss wünscht.
Türkis und Blau geben sich gegenseitig die Schuld
Scharfe Kritik rief die Einstellung der Heeres-Sicherheitsschule in Wiener Neustadt bei ÖVP und FPÖ hervor - also den Parteien, die das Projekt in der gemeinsamen Regierung in die Wege geleitet haben. ÖVP-Verteidigungssprecher Michael Hammer und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker griffen aber nicht nur den neuen Minister an, sondern hielten sich auch gegenseitig vor, an der Situation schuld zu sein.
Hammer zeigte sich in einer Aussendung einerseits empört über den neuen Minister Thomas Starlinger: Es sei "unverantwortlich und anmaßend", dass er das Schulprojekt "bereits in der ersten Woche seiner Amtszeit" stoppe - zumal "diese Regierung nicht demokratisch legitimiert" sei. Die ÖVP erwarte sich von einem "nicht gewählten Verteidigungsminister mehr Fingerspitzengefühl".
Aber er nahm auch den früheren Koalitionspartner wegen der Zustimmung zum Misstrauensantrag in die Pflicht: Das Aus für die Sicherheitsschule gehe nämlich darauf zurück, dass "Rot und Blau in einer Trotzreaktion die gesamte Regierung niedergestimmt haben".
Hafenecker hatte zuvor in einer Aussendung beklagt: Dieses für die Sicherheit wichtige Projekt sei "leider nur eines von vielen, dass aufgrund der vorzeitigen Auflösung der Koalition durch ÖVP-Obmann Kurz nun nicht mehr umgesetzt beziehungsweise eingestellt wird. Wir haben versucht diese Reformregierung im Sinne der Österreicher aufrechtzuerhalten, allerdings war die ÖVP dazu nicht bereit."