Chronik/Niederösterreich

Verhärtete Fronten im Streit um heiße Luft

Das Ganze ist ein Käse", sagt Werner Gradisch. "Diese Auseinandersetzung war vollkommen unnötig." Gradisch (68), Großneffe von Egon Schieles Schwester Melanie und der "letzte verbliebene Zeitzeuge der Familie Schiele", liegt im Clinch mit der Stadtgemeinde Tulln (NÖ) – der KURIER berichtete. Und das noch immer. Auch wenn der Streit quasi beigelegt ist. Aber eben nur quasi.

Wie berichtet, hat die Stadtgemeinde Gradisch bei der Bezirkshauptmannschaft angezeigt, weil dieser als gerichtlich beeideter Sachverständiger einen Umbau an seiner Therme selbst vorgenommen hatte. Laut nö. Bauordnung hätte das aber ein Rauchfangkehrer machen sollen. Aus Rache entzog Gradisch dem Tullner Schiele-Museum seine Leihgaben – private Dokumente und Grafiken.

Jubiläumsjahr 2018

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Jetzt hat Gradisch laut Auskunft der Stadtgemeinde Tulln die ursprüngliche Meldung über den Umbau seiner Therme zurückgezogen und eine neue gebracht. Und weil seit 1. Februar eine neue Bauordnung in NÖ in Kraft ist, die besagt, dass Umbauarbeiten von "Befugten" (und nicht mehr explizit von Rauchfangkehrern) durchgeführt werden müssen, fehlt jetzt die rechtliche Grundlage für den Streit. Geätzt wird trotzdem: "Den Bürgermeister hat der Entzug der Leihgaben ja gar nie getroffen", meint Gradisch. Das Museum sei dem Bürgermeister egal. "Aber spätestens im Jahr 2018, zum 100. Todestag von Egon Schiele, wird das Land seine Bilder für das neue Museum in Krems selbst brauchen", sagt Gradisch. Und dann werde im Tullner Schiele Museum "nix mehr sein".

Das glaubt Tullns Bürgermeister Peter Eisenschenk nicht. "Ich habe die Zusicherung, dass das Schiele-Museum weiterhin bestehen bleibt." Am 1. April startet das Museum an der Donaulände in die neue Saison. Und zwar ohne die Werke aus der Sammlung Gradisch.

Der Streit habe das Museum nicht "auf dem falschen Fuß erwischt", sagt Kurator Christian Bauer. Gezeigt werden stattdessen frühe Gemälde Schieles aus der Sammlung der Stadt Tulln und des Landes NÖ (siehe Bericht rechts). Das sei ohnehin schon länger geplant gewesen. Die Werke der Sammlung Gradisch müssten laut Restauratoren ruhen. "Wir hätten die Bilder wohl ohnehin nicht ausstellen können, weil dieser Streit dazwischengekommen ist", sagt Bauer. Er versucht, "integrativ zu wirken": "Wenn wir einen Beitrag leisten können, werden wir das machen."

Ob das gelingt, bleibt fraglich. Werner Gradisch fühlt sich jedenfalls als Sieger: "Recht ist Recht geblieben. Ich wusste, dass ich gewinne." Zumindest in einer Sache dürften sich alle Beteiligten einig sein: "Diese Auseinandersetzung war vollkommen unnötig."

Saisonstart ist am 1. April. Die Ausstellung steht heuer ganz im Zeichen der frühen Gemälde Egon Schieles. Sie sind kurz nach Studienbeginn an der Wiener Akademie entstanden. Außerdem wird die Kindheit und Jugend Schieles dargestellt.

Egon-Schiele-Museum, Donaulände 28, Tulln. Saison 2015 von 1. April bis 26. Oktober. Dienstag bis Sonntag, sowie an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr. www.egon-schiele.eu