Terrorprozess: Spengler faszinierte der Islamische Staat
Von Patrick Wammerl
Er verschickte grauenvolle Enthauptungsvideos mit dem Kommentar, dass er selbst ein stumpferes Messer verwenden würde. In unzähligen Chats ging es um den Aufruf zum Dschihad (Heiligen Krieg) und das Töten von „Kuffar“ (Ungläubigen). 148 solcher IS-Propagandavideos und 2989 belastende Bilddokumente hat der Verfassungsschutz auf dem Mobiltelefon des 19-jährigen Spenglerlehrlings aus Neunkirchen sichergestellt.
Am Mittwoch musste sich Milat D. am Landesgericht Wiener Neustadt wegen des Verbrechens einer terroristischen Vereinigung verantworten. Weil das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung aufgrund von D.s Kontakten die höchste Sicherheitsstufe für den Prozess ausrief, wurde der Schwurgerichtssaal von schwer bewaffneten Polizisten gesichert. Es herrschte Film- und Fotografierverbot.
In Handschellen wurde ein milchgesichtiges Bürschchen mit rotem T-Shirt, Jeans und Brille in den Saal gebracht. Wegen des Krieges flüchtete er im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern nach Österreich. Die Familie suchte um Asyl an. Nach Volksschule, Mittelschule und Poly begann er in Gloggnitz eine Spenglerlehre.
Die Geschwister besuchen das Gymnasium, eine Schwester studiert Medizin. „Aber was ist mit ihnen passiert? Wie kann man in so eine Richtung abdriften?“, will die beisitzende Richterin Birgit Borns vom Angeklagten wissen.
Eine schlüssige Antwort hat der 19-Jährige darauf nicht. Obwohl er sich vollends schuldig bekennt und es ihm „zutiefst leid tue“, war nicht zu erfahren, warum er den Islamischen Staat derart faszinierend fand. Die Chat-Protokolle beinhalten Aufrufe zu Selbstmordanschlägen in Europa, immer wieder schreibt er vom Kampf gegen die Ungläubigen und teilt Anleitungen zum Bombenbau.
Vor dem Prozess rasiert
Dass er sein Markenzeichen, den langen Bart erst Stunden vor der Verhandlung abrasierte, mutet ebenso merkwürdig an, wie sein angeblich rascher Sinneswandel. „Ich hatte in der Haft viel Zeit, darüber nachzudenken und würde das heute nicht mehr tun“, so der 19-Jährige.
Doch die beiden Richterinnen und der Staatsanwalt haben begründete Zweifel, dass Milat D. sich plötzlich vom IS losgesagt hat. Auch ein Beamter des Verfassungsschutzes ist skeptisch und sieht den Tschetschenen als Gefährder.
Um dies zu klären, wurde der Prozess auf unbestimmte Zeit vertagt. „Um ein genaueres Bild über die Persönlichkeit zu bekommen, wurde ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben“, sagt Gerichtssprecherin Birgit Borns.