Chronik/Niederösterreich

Stift Klosterneuburg: Petrus mit Baseballkapperl

Der Naumburger Dom in Deutschland ist eines der wichtigsten Bauwerke der Frühgotik. 1519 schuf Lucas Cranach der Ältere für den dortigen Marienaltar ein dreiflügeliges Altarretabel. Der Mittelteil aber wurde schon 1541 bei einer bilderfeindlichen Aktion wieder zerstört.

Fast 500 Jahre blieb diese Lücke, bis sich 2020 der Leipziger Künstler Michael Triegel daran machte, sie zu schließen. Indem er den Mittelteil neu malte. Der Künstler hatte 2010 internationale Bekanntheit mit einem Porträt von Papst Benedikt XVI. erlangt.

Im Juli 2022 wurde der Altar geweiht und kehrte an seinen Ursprungsort im Dom zurück. Doch genau das wurde zum Problem, denn der Weltdenkmalrat Icomos sieht den UNESSCO-Welterbetitel für den Dom bedroht, weil der Altar den Blick auf zwölf berühmte Stifterfiguren beeinträchtigt.

Was tun? Der Altar ging einfach auf Reisen. Und macht nun im Marmorsaal von Stift Klosterneuburg Station, wo er bis Dezember zu sehen ist.

Moderne Menschen

Auf den ersten Blick zeigt der neue Mittelteil eine traditionelle „Sacra Conversazione“ mit der thronenden Maria samt Jesuskind und Heiligen. Die Bildsprache entspricht den Seitenteilen aus der Renaissance – doch blickt man nur etwas näher, so ist man irritiert. Denn die Abgebildeten sehen sehr modern aus.

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Sind sie auch. „Maria ist etwa meine Tochter“, erzählt Triegel im Stift Klosterneuburg. Erklärung: „Was ich am meisten liebe, soll zum Sinnbild der Liebe werden.“ Oder Petrus, erkennbar an einem kleinen Schlüssel. Er trägt ein rotes Baseballkapperl. „Das ist ein Bettler, den ich in Rom getroffen habe“, sagt der Künstler. Daneben steht Paulus, mit den Gesichtszügen eines Juden, den Triegel vor der Klagemauer in Jerusalem sah.

Es sollen keine „Abziehbilder, keine Idealfiguren“ sein, sondern „heutige Menschen aus unserer Mitte.“ Wie es die alten Meister auch getan haben. „Es ist ein Brückenschlag über 500 Jahre. Das muss Kirche auch leisten, wenn sie bestehen und lebendig sein will“, meint der Maler.

Wer sich von „Triegel trifft Cranach“ ein Bild machen und die alte mit der neuen Kunst vergleichen will, hat dazu bis Dezember im Stift Klosterneuburg Gelegenheit.

Infos unter: www.stift-klosterneuburg.at