Plastikfreier Ort: Wie das Projekt in St. Valentin funktioniert
Von Lisa Rieger
Der Slogan „Ich liebe plastikfrei“ begegnet einem in St. Valentin (Bezirk Amstetten) öfters. Zum ersten Mal gleich bei der Ortseinfahrt. Dann immer wieder auf Schildern neben der Straße, aber auch in großen Lettern steht er neben dem Büro der Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr (SPÖ).
Im September beschloss der Gemeinderat einstimmig eine Resolution zur Vermeidung von Einweg-Kunststoff. Es war die erste Gemeinde in Niederösterreich. Im Dezember folgte Hollabrunn. „Es geht darum, dass die Stadtgemeinde in ihrem Wirkungsbereich so weit wie möglich auf Einwegkunststoffe verzichtet“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Georg Ecker. Der Vize-Bürgermeister, Alfred Babinsky (ÖVP), betont, dass es vorrangig um die Bewusstseinsbildung und nicht um ein Verbot gehe. Aber wie gut funktioniert eine Umstellung? Was hat sich in St. Valentin seither getan?
„Zu allererst war es uns wichtig, das Thema positiv zu besetzen. So haben wir uns für den Liebe-Spruch entschieden, statt für etwas wie, ,Nein zu Plastik’“, sagt Suchan-Mayr. Auch wurden konkrete Maßnahmen formuliert. So sollen Einweg-Tragetaschen insbesondere aus Plastik durch umweltfreundliche Alternativen ersetzt werden. Dazu wurde auch eine Stofftaschensammelbox aufgestellt, wo alte eingeworfen werden können, die bedruckt werden und dann wieder in den Einsatz kommen.
Einwegplastik – wie Wattestäbchen, Besteck, Becher etc. – soll ebenfalls vermieden werden. Alternativen sollen aufgezeigt und von lokalen Betrieben in der Stadt angeboten werden. „Auch einen Leitfaden für Feste in der Stadt soll es geben. Beim Christkindlmarkt zum Beispiel haben fast alle keine Einwegbecher mehr angeboten, sondern stattdessen auf Pfandhäferln gesetzt“, sagt Suchan-Mayr. „Was in der EU beschlossen wurde, ist gut. Ich würde aber noch weiter gehen. Ich hätte es gerne schneller und umfassender“, sagt sie. Im EU-Beschluss fehlen etwa die Getränkeflaschen, meint die Landtagsabgeordnete, Bürgermeisterin und Mutter, die sagt, sie habe die Verantwortung, die Welt für die nächsten Generationen als lebenswert zu erhalten.
Sie ist überzeugt, dass es in der Gemeinde leichter wird, Veränderungen zu bewirken, weil man hier näher an den Menschen dran sei. Sie führe ununterbrochen Gespräche. Sie bemüht sich, weitgehend auf ein plastikfreies Leben umzusteigen, um es vorzuleben. „Wir sind ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber vielleicht können wir Wellen schlagen.“
Unverpackt-Laden
Vor eineinhalb Jahren hat in St. Valentin auch der „Tante Hanna Laden“ eröffnet. Radomir Kovacic bietet hier Lebensmittel unverpackt an: Pasta, Nüsse, Öl, Essig, Obst, Gemüse, Schinken. Für den Transport können Einmachgläser ausgeborgt werden. „Die Kunden kommen aus bis zu 20 Kilometer Entfernung“, sagt der Betreiber, dem es irgendwann zu wenig war, an Demonstrationen teilzunehmen und der selbst einen Beitrag zur Verbesserung der Welt beitragen wollte.
Im Ort gibt es weitere Bioläden. „Wir helfen einander. Unsere Konkurrenz sind die großen Händler“, sagt der 39-Jährige. Die sind es auch, die Suchan-Mayr mit an Bord holen möchte. In einem Brief hat sie sich an sie gewandt und gebeten, bei dem Projekt mitzuziehen. Nur so sei es möglich, das Ziel von St. Valentin – innerhalb von zwei Jahren den Plastikmüll auf die Hälfte zu reduzieren (derzeit sind es etwa 260 Tonnen pro Jahr) – zu erreichen. In Wieselburg gab es 2010 die Entscheidung, Kunststofftaschen-frei zu werden. Der Umstieg hätte rund vier Jahre gedauert. „Aber jetzt sieht man viele Menschen mit Stofftaschen und Körben gehen“, sagt Bürgermeister Günther Leichtfried (SPÖ).
Und was sagen die Menschen in St. Valentin?
„Es ist eine gute Aktion. Ich bin allgemein für einen plastikfreien Haushalt. Zu Hause schauen wir schon darauf“, sagt etwa Herbert Ziervogel, der seit 16 Jahren in St. Valentin ein Zoofachgeschäft betreibt. „Im Geschäft ist es aber schwierig, weil vieles in Plastik geliefert wird. Aber früher habe ich immer gefragt, ob jemand ein Plastiksackerl will, jetzt schaue ich eher darauf, dass die Leute keines nehmen.“
Eduard Gabrielyan ist 18 Jahre alt und Metalltechniker. Er hält die Plastikfrei-Aktion in St. Valentin für eine gute Idee. „Selber schaue ich aber nicht so drauf. Vielleicht in Zukunft ein bisschen“, sagt er.
„Die Idee ist nicht schlecht, aber die Umsetzung hapert noch“, findet auch Andrea Wagner. Die 34-Jährige arbeitet in einem Blumengeschäft. „Wie sollen wir das umsetzen? Die Blumen werden in Plastik geliefert, die Kunden bestehen auf eine Cellophan-Verpackung“, sagt sie.
Kimberly Gutjahr auf der anderen Seite fährt aus Amstetten stets extra zum Unverpackt-Laden nach St. Valentin. „Es gibt zwar viele Bioläden hier in der Gegend, aber keinen der verpackungsfrei ist“, sagt die 25-Jährige. „Die Welt versinkt im Müll, da finde ich solche Initiativen wie den Laden oder im Ort sehr gut und wichtig.“