Pflegende Angehörige fordern Sicherheit
Von Teresa Sturm
In den vergangenen Wochen war viel von Besuchsregelungen in den Pflegeheimen, Einfliegen von 24-Stunden-Betreuerinnen und der Situation rund um die Pflege zu hören. Pflegende Angehörige von Menschen mit Behinderung seien aber nie eigens erwähnt worden, kritisiert Friederike Pospischil, Präsidentin der Lebenshilfe Niederösterreich.
"Man hat uns in keiner Weise mitgedacht. Diese Gruppe wurde von Anfang an nicht gehört und gesehen", sagt die Mutter eines 40-jährigen intellektuell Beeinträchtigten. "Ich pflege Peter jetzt wieder rund um die Uhr zu Hause. Er war davor in der Tagesstätte der Lebenshilfe", erzählt sie. Die Wohneinrichtungen und Werkstätten laufen derzeit nur im Notbetrieb, das heißt, nur die Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen sind untergebracht.
Besonders hart treffe es Alleinerzieherinnen, sagt Pospischil. Egal, ob das Kind zur Hochrisikogruppe zähle, „sie müssen schauen, dass sie die Betreuung organisieren können.
Das bestätigt eine Niederösterreicherin, deren bald 16-jährige Tochter Julia an einem Chromosomenfehler leidet und stark beeinträchtigt ist. Zu Beginn der Corona-Krise gab es für Eltern von Kindern bis zu 14 Jahren drei Wochen Sonderurlaub. "Meine Tochter ist 15, ist aber wie ein Kleinkind. Da wurde nicht einmal erwähnt, dass es Menschen mit Behinderung gibt" sagt Julias Mutter. "Da mussten wir wieder darauf aufmerksam machen", so Pospischil.
Betreuungsfrage
Julias Mutter, die in Teilzeit arbeitet, kann zudem normalerweise auf ihre Eltern als Betreuungshilfe zurückgreifen: "Wenn die Großeltern woanders wohnen, kriegt man natürlich sonst keine externe Unterstützung." Derzeit pflegt sie ihr Kind, arbeitet im Homeoffice und macht den Haushalt: "Man fängt so viel ab. Das wird gerne übersehen."
Für Familien, die in ihrer Situation sind, wünscht sich die Alleinerzieherin allgemein mehr Pflegefreistellungsmöglichkeiten. "Behinderte Menschen sind öfter krank. Wenn sich dann der pflegende Angehörige spontan freinehmen muss, hat man kaum Möglichkeiten, außer man kann es mit dem Arbeitnehmer vereinbaren."
Obwohl die Schulen jetzt wieder aufsperren und die Covid-19-Maßnahmen gelockert werden, sieht Pospischil noch kein Licht am Ende des Tunnels: "Wenn mein Kind aufgrund von Vorerkrankungen zur Risikogruppe gehört, wird es noch länger zu Hause sein." Auch Julia zählt dazu. Da sie mit einem Herzfehler auf die Welt gekommen ist, möchte ihre Mutter das Risiko des Schulbesuchs noch nicht eingehen.
"Was wir brauchen, ist die Sicherheit, dass die Finanzierung von Plätzen in Einrichtungen garantiert wird", sagt Pospischil. "Da sind wir in Niederösterreich auf einem guten Weg. Aber derzeit gibt es neun verschiedene Behindertengesetze. Mein Appell an den Bund ist, dass wir für ganz Österreich eine einheitliche Regelung finden."