Chronik/Niederösterreich

Mit Verwandten kamen Geflohene: Türke als Schlepper verurteilt

An die Drahtzieher internationaler Schlepperorganisationen heranzukommen, ist in der Regel ein Ding der Unmöglichkeit. Jene, die von der Polizei aufgegriffen werden können, sind zumeist kleine Rädchen in diesen kriminellen Vereinigungen. Fahrer zum Beispiel.

Und sie erzählen vor Gericht meistens beinahe identische Geschichten: Sie seien von Unbekannten angesprochen worden, ob sie Personen in ihren Fahrzeugen über die Grenze bringen möchten, würden aber keine Namen und keine Hintermänner kennen. Das versprochene Geld für ihre illegalen Schlepperfahrten sei dann meist auch nicht ausbezahlt worden.

Anders stellte hingegen jener türkische Staatsbürger aus dem südlichen Niederösterreich seinen Fall dar, der sich am Montag am Landesgericht Wiener Neustadt verantworten musste. Auch ihm warf die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vor. Er habe mehr als 100 Menschen in 48 Fahrten durch Österreich transportiert, sie bei der Organisation ihrer illegalen Durchreise oder Ticketkäufen unterstützt. Doch der Mann beteuerte, er habe "nur helfen" wollen.

Quartier für Flüchtlinge

"Eines Tages haben mich meine Verwandten aus der Türkei angerufen und gesagt, sie wollen nach Deutschland. Da habe ich ihnen angeboten, dass ich helfen kann", erzählte der Mann. Überrascht worden sei er dann, als er die Verwandtschaft am Bahnhof abholte: "Da waren auch andere Leute dabei." Also habe er auch diesen Essen, Trinken und eine Übernachtungsmöglichkeit geboten, ehe sie weitergereist seien.

Doch damit war die "Hilfsbereitschaft" des Mannes noch nicht zu Ende. "Diese Leute haben anscheinend meine Telefonnummer an eine Schlepperorganisation weitergegeben, denn ich wurde dann von unbekannten Nummern angerufen", behauptete er. Man habe gehört, dass er "hilft, ohne Geld dafür zu verlangen". Deshalb sei ihm angeboten worden, auch weiterhin Menschen auf der Flucht bei sich unterzubringen.

"Keine Bezahlung"

"Sie haben gesagt, dass immer wieder jemand von der Polizei verhaftet wird und dann die Leute irgendwo feststecken und nicht weiterreisen können", erinnerte sich der Angeklagte. Man habe ihm Ersatz für seine Unkosten angeboten: "Für Essen, Trinken und eine Art Hotelgebühr." Weitere Bezahlung habe er allerdings nie erhalten, beteuerte er.

Insgesamt 115 Menschen seien so im Laufe von zwei Jahren bei ihm ein- und ausgegangen, gab der türkische Staatsbürger zu. "Wenn Sie in einer ruhigen Minute darüber nachgedacht haben: Was haben Sie geglaubt, was Sie da tun?", wollte der vorsitzende Richter von ihm wissen. "Dass ich helfe, weil diese Leute in einer sehr schlechten Lage waren", lautete die Antwort. Doch der Richter konterte trocken: "Damit könnte sich vermutlich jede illegale Schlepperorganisation weltweit rechtfertigen."

Das Urteil - drei Jahre und neun Monate Haft - ist nicht rechtskräftig.