Missstände im Pflegeheim in NÖ: Angeklagte weisen alle Schuld von sich
Von Stefan Jedlicka
Es war nicht der einzige Fall von angeblich gravierenden Missständen in einem niederösterreichischen Pflegeheim in den vergangenen Jahren. Am Landesgericht Wiener Neustadt müssen sich seit Montag zwei Pflegekräfte und ein Manager verantworten, weil Vorwürfe gegen eine Einrichtung in Kirchberg am Wechsel (Bezirk Neunkirchen) laut geworden waren.
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Frauen vor, im Jahr 2021 monatelang zumindest drei Personen vernachlässigt zu haben, indem sie nichts gegen einen Krätzmilben-Befall unternommen hätten. Bewohner seien gegen ihren Willen an Rollstühlen fixiert oder in ihren Betten festgehalten worden. Die 49-jährige Erstangeklagte muss sich außerdem wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten, weil sich eine Heimbewohnerin bei einem Sturz aus ihrem Bett Verletzungen zugezogen hatte. Außerdem sollen Einträge in die elektronische Pflegedokumentation im Namen von Ärzten - ohne deren Zustimmung - verfasst worden sein. Weitere Anklagepunkte betreffen das mutwillige Verweigern von abendlichen Mahlzeiten.
"Vorwürfe sind unhaltbar"
Der Manager soll im April 2021 einer Mitarbeiterin gedroht haben, sie auf 200.000 Euro zu verklagen, sollte sie die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses nicht unterschreiben.
Alle drei bekannten sich nicht schuldig. „Von einer Reihe von Vorwürfen ist nur mehr ein Bruchteil übrig geblieben, und auch bei diesem Bruchteil wird sich zeigen, dass diese Vorwürfe unhaltbar sind“, meinte der Verteidiger einer Beschuldigten in seinen Eröffnungsworten. Verdacht auf Krätze (Scabies) habe zwar bestanden, als seine Mandantin erstmals davon erfahren habe, habe sie aber sofort alle nötigen Maßnahmen gesetzt. Der Verdacht habe sich dann auch nicht bestätigt.
"Regelmäßig überprüft"
Die Erstangeklagte berichtete von Personalengpässen im Pflegeheim durch Krankenstände, und Pflegefreistellungen: „Das Corona-Virus hat uns vollkommen ins Strudeln gebracht“. Sie habe nie die Anweisung gegeben, jemandem kein Abendessen zu verabreichen. Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen durch Sedierung seien nur auf Anordnung eines Arztes und nicht eigenmächtig durchgeführt worden. Sitzhosen (also eine Fixierung am Rollstuhl) wurden laut der 49-Jährigen nur angewendet, wenn Heimbewohner unbeaufsichtigt waren oder - wie auch bei Seitenteilen am Bett - wenn sie aus gesundheitlichen Gründen bzw. wegen Sturzgefahr erforderlich waren. Dies sei bei längerer Dauer wie vorgeschrieben und auch regelmäßig von der Bewohnervertretung überprüft worden.
Der Prozess ist für drei Tage angesetzt. Dem Mann drohen im Fall einer Verurteilung sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Bei den beiden Frauen beträgt der Strafrahmen bis zu drei Jahre. Der 62-Jährige und die Zweitangeklagte sind nach wie vor bei Senecura beschäftigt. Ein Strafverfahren wegen Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen das Unternehmen wurde eingestellt.
Mit Urteilen ist am Mittwoch zu rechnen.