Angriff in der Zelle: Häftling vor Gericht
Von Teresa Sturm
Eigentlich haben sich H. und L. ganz gut verstanden. Die beiden Insassen der Justizanstalt Stein verbrachten hin und wieder Zeit gemeinsam. Am 25. Februar des Vorjahrs kam es aber zu einer heftigen Auseinandersetzung in einer Zelle, bei der der Angeklagte L. mit einer Rasierklinge verletzt haben soll. H. musste sich nun am Landesgericht Krems wegen versuchten Mordes verurteilen.
Bei dem letzten Termin musste der Prozess vertagt werden, weil der Angeklagte derart übermüdet war, dass er während der Befragung eingeschlafen war.
Gestern wirkte er umso aufmerksamer, wurde oft emotional und schrie die Staatsanwältin nach ihren Ausführungen an. Der Angeklagte besuchte den 34-jährigen L. am 25. Februar 2021 zur Mittagszeit in dessen Zelle. Dabei sei er von L. zuerst geküsst und dann sexuell belästigt worden.
Rasierklinge und Messer
„Ich habe gesagt, dass ich das nicht will“, sagt der Angeklagte. L. habe ein Buttermesser genommen und ihn damit bedroht. Das Messer habe er ihm aus der Hand geschlagen, es an sich genommen und ihn damit verletzt. „Ich wollte ihn nicht umbringen. Aber er ist mir körperlich überlegen. Ich habe Angst gehabt, dass er mich vergewaltigt“, sagt der 23-jährige Algerier. Daher habe er sich verteidigt.
Weitere Verletzungen fügte H. dem Mithäftling mit einer Rasierklinge zu, die er im Gefängnis regelmäßig in seinem Mund trug, um sich gegebenenfalls zu verteidigen, zu. Er habe zwar gehört, dass L. anderen Männern bereits etwas angetan habe, es aber nicht geglaubt. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so etwas einem anderen Araber antun könnte.“
Vollkommen anders schildert L. die Situation. Der 34-jährige Tunesier sagte aus, den Angeklagten nicht berührt zu haben. Zum Streit sei es gekommen, weil H. immer wieder von ihm forderte, dass er ihm Dinge kaufe. Dieses Mal habe er Tabak von ihm haben wollen. L. habe versucht, Tabak für den Mithäftling zu stehlen. In der Zelle habe der Angeklagte dann ein Buttermesser aus seiner Hosentasche gezogen. Während H. ihn mit der Rasierklinge verletzte, habe er mehrmals geschrien, dass er ihn umbringen wolle.
Laut Sachverständigem seien durch die Schnitte nur leichte Verletzungen entstanden. Hätte der Angeklagte L. aber ein paar Zentimeter daneben getroffen, hätte es lebensgefährlich sein können.
Daher handle es sich laut Staatsanwältin um versuchten Mord. Sie stellte den Angeklagten als unglaubwürdig dar. Es mache keinen Sinn, dass er sich mit dem 34-Jährigen in eine Zelle sperren lässt, wenn er diesem skeptisch gegenüber war.
Für die Verteidigerin habe es keinen Tötungsvorsatz gegeben. Laut ihr handle es sich um leichte Körperverletzung.
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