„Konjunkturhoch ist vorbei“: NÖ Industrie sagt Talfahrt voraus
Von Sophie Seeböck
Noch sind die Auftragsbücher der heimischen Industrie gut gefüllt. „Ob diese Aufträge auch tatsächlich abgearbeitet werden können, hängt jedoch von der Verfügbarkeit von Vormaterialien und Rohstoffen ab“, erklärt Michaela Roither. Und um diese sei es aufgrund von Lieferketten-Problemen und extremen Preissteigerungen aktuell recht schlecht bestellt, wie die Geschäftsführerin der Industriellenvereinigung NÖ (IV) weiß.
Stimmung unter Befragten "auf Talfahrt"
Unsicherheiten dieser Art lassen Unternehmer laut Roither „erschreckend pessimistisch“ auf die Geschäftslage und Ertragssituation in der zweiten Jahreshälfte blicken. Die neueste Konjunktur-Umfrage zeige laut IV, dass die Stimmung unter den 49 befragten NÖ Industriebetrieben „sich auf einer Talfahrt“ befinde. „Es ist deutlich zu erkennen, dass der von der Industrie getriebene Konjunkturaufschwung vorbei ist“, so Roither.
Dabei hatte man die pandemiebedingte Krise gut verkraftet. Definierte das Industriewissenschaftliche Institut (IWI) bei seiner letzten Erhebung 2019 noch 27 Leitbetriebe in NÖ, sind es heute bereits 31.
Laut IV-Präsident Thomas Salzer können diese international agierenden Unternehmen als „Zugpferde der nö. Wirtschaft“ verstanden werden. Denn von ihrer Wettbewerbsfähigkeit profitieren Hunderte Klein- und Mittelunternehmen als Zulieferer, Auftragnehmer sowie Kooperationspartner, wie IWI-Studienautor Herwig W. Schneider erklärt. „In etwa jeder zehnte Wertschöpfungseuro im Bundesland ist auf Aktivitäten der Leitbetriebe zurückzuführen“, betont Schneider auch die Bedeutung dieser Betriebe für die Region.
Regionale Kraft
Neben fünf Milliarden Euro regionaler Wertschöpfung (österreichweit 7,6), werden von diesen Betrieben auch bis zu 50.981 Arbeitsplätze in NÖ (gesamt rund 83.000) abgesichert. „Die Leitbetriebe sind das Rückgrat der nö. Wirtschaft, auch in der Krise. Sie sind aber eine heikle Industriellengruppe“, meint Schneider.
Damit die nö. Wirtschaft vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise wettbewerbsfähig bleibe, fordere die IV seit Monaten eine Strompreiskompensation, wie sie bereits in zwölf EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt wurde. „Es darf keine weiteren Belastungen für Unternehmen geben. Eine falsche Dekarbonisierung darf nicht zur einer Deindustrialisierung führen“, sagt IV-Präsident Salzer.
Energie-Autarkie als Illusion
Da ein Gasembargo in NÖ laut Salzer zu einem „sofortigen Stillstand“ der heimischen Industrie führen würde, müsse erneuerbare Energie ausgebaut werden. Um das schnell umsetzen zu können, brauche es eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren: „Es ist schließlich niemandem geholfen, wenn Betriebe aufgrund hoher Umweltauflagen abwandern und Arbeitsplätze in Österreich verloren gehen“, so Salzer. Völlige Energie-Autarkie sei generell eine Illusion, es brauche weiter auch Atom-Strom aus Nachbarländern.