Rudis wunderbare Reise durch Europa
Von Markus Foschum
Aus dem Ei schlüpfte Rudi in einem Horst im Bezirk Korneuburg im Weinviertel in Niederösterreich. 2023 verließ er seine Heimat, diese Woche landete der junge Kaiseradler im Burgenland. Dazwischen liegt eine geradezu unglaubliche Reise quer durch Europa.
Zwölf Länder besuchte Rudi und legte dabei 30.000 Flugkilometer zurück. Dass man das so genau weiß liegt an dem Engagement der Vogelschutzorganisation Birdlife, die Kaiseradler mit GPS-Sendern ausstattet. Die kleinen, nur wenige Dutzend Gramm schweren Geräte, die der Vogel an einer Art Rucksack trägt, ermöglichen es den Greifvogelexperten, ihn punktgenau zu verfolgen. Insgesamt wurden bisher mehr als 50 Jungadler am elterlichen Horst kurz vor dem Flüggewerden mit Sendern ausgestattet. Durch die so gesammelten Daten konnte man nicht nur die unglaubliche Wanderlust der Adler nachweisen, auch Gefährdungsursachen wie illegale Verfolgung durch den Menschen werden so erkannt.
Persönlichkeiten
„Eine der ersten Erkenntnisse war, dass sich das Verhalten der Kaiseradler von Tier zu Tier stark unterscheidet. Während der eine Jungvogel im ersten Winter nach Griechenland fliegt, verbringt der andere einen Großteil seiner Zeit im Weinviertel“, erklärt Matthias Schmidt von Birdlife Österreich. „Jeder dieser Lebenswege ist eine Geschichte für sich“. Leider ist es nicht immer eine Erfolgsgeschichte.
„Der Abschuss von Artemisia, die zuvor über halb Europa geflogen ist und mit ihrem Anblick viele Menschen erfreut hat, war sicher eine der traurigsten Lebensgeschichten“, sagt Schmidt. Es gibt aber auch sehr schöne, wie jene der Kaiseradler-Dame Esperanza, die 2024 bereits ihren 12. Geburtstag „feiern“ konnte und schon neun Kinder ausgebrütet hat.
1,9 Millionen Kilometer
Insgesamt legten die besenderten Kaiseradler mehr als 1.9 Millionen Kilometer zurück und besuchten dabei 24 Länder in ganz Europa. Bei den Adlern ist üblich, dass auf Verlassen des elterlichen Reviers „zwei bis fünf Wanderjahre folgen“, sagt Schmidt. Wenn sie dabei nicht illegaler Verfolgung, Kollisionen oder anderen Todesursachen zum Opfer fallen kehren sie „im Regelfall wieder in die Region zurück und beziehen ein eigenes Revier“, so Schmidt.
Die Reviergrößen der brütenden Kaiseradler variieren dabei stark und können sich über mehrere hundert Quadratkilometer erstrecken. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten sind auch hier gut erkennbar. Während manche Adler ihre tägliche Routine haben und nur sehr kleinräumig unterwegs sind, gibt es andere, die auch als Brutvogel immer wieder lange Erkundungsflüge über Hunderte Kilometer unternehmen.
Rückkehr
Der Kaiseradler wurde in Mitteleuropa lange verfolgt. Ende der 1980er-Jahre lebten nur noch wenige Dutzend Paare in Ungarn und der Slowakei. Erst durch intensive Schutzbemühungen erholten sich die Bestände und vor 26 Jahren kehrte der majestätische Adler als Brutvogel nach Österreich zurück, wo er knapp 200 Jahre als ausgestorben galt. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung ist die Population mit rund 50 Brutpaaren noch vergleichsweise klein und fragil. Der Kaiseradler muss daher nach wie vor als gefährdet gelten und hat noch keinen günstigen Erhaltungszustand erreicht, so Birdlife.
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