Chronik/Niederösterreich

"Sprung ins kalte Wasser": Schauspieler Johannes Nussbaum über Inspiration und Zukunft

Seine Kindheit und Jugendjahre hat Johannes Nussbaum in Niederösterreich verbracht. Das zu erwähnen scheint notwendig.

Denn wenn der 29-Jährige beginnt, von seinem Leben zu erzählen, fällt es mitunter schwer zu glauben, dass er nur wenige Kilometer von der Bundeshauptstadt entfernt aufgewachsen ist.

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Es ist jedoch nicht unbedingt seiner unkonventionellen Biografie geschuldet, sondern vielmehr auf sein glasklares Hochdeutsch zurückzuführen, dass man dem Mödlinger seine österreichische Herkunft heute kaum anhört. Den Dialekt hat sich Nussbaum während seiner Studienzeit an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin akribisch abtrainiert; „Ich wusste natürlich, dass ich durch meinen Akzent eine Form der Limitierung habe.“

Neben den sprachlichen Ambitionen ist es auch die große Sehnsucht, aus Mödling auszubrechen und in eine große Stadt wie Berlin zu ziehen, die Nussbaum nach der Schulzeit in die deutsche Landeshauptstadt ziehen ließ. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits erste Erfahrungen vor der Kamera gesammelt, war mit gerade einmal neun Jahren im Kinofilm „Import Export“ zu sehen, spielte später in einzelnen SOKO-Donau-Folgen mit und schlüpfte in die Hauptrolle bei „Blutsbrüder teilen alles“.

Prägende Zeit

Die Entscheidung, in der Filmbranche Fuß fassen zu wollen, fällte der gebürtige Mödlinger dann 2012 bei den Dreharbeiten zu „Diamantenfieber oder Kauf dir einen bunten Luftballon“. Nussbaum: „Der Dreh mit Peter Kern war für mich so eine prägende Zeit. Ich konnte mit einem unglaublichen Regisseur arbeiten, der mich so vor der Kamera spielen ließ, wie ich wollte.“

2014 lässt er Österreich hinter sich. Seine Eltern haben ihn immer sehr unterstützt, in dem, was er tut. „Die Sorge und die Ängste haben sie immer sehr gut für sich behalten.“

Während seiner Ausbildung tritt er am Deutschen Theater Berlin auf, gastiert am Staatsschauspiel Dresden und ist am Wiener Theater zu sehen. Die Bretter, die Welt bedeuten, haben den Niederösterreicher neben dem Film in ihren Bann gezogen: „Ich liebe beide Disziplinen sehr. Beim Theater ist das Großartige halt, dass man zuerst die Proben hat, sich zusammen mit einem Thema auseinandersetzt als Gruppe. Es ist jedes Mal ein Sprung ins kalte Wasser, wenn ich auf die Bühne gehe.“

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Und dann sei da noch das Adrenalin, wenn man vor das in schwummriges Licht getauchte Publikum tritt: „Diese Nervosität habe ich noch nie ablegen können – ich weiß auch nicht ob ich das will – aber es geht darum, sie auch im Zaum zu halten. Das Adrenalin ist schon wahnsinnig wichtig.“ Dieser Aufgabe muss er sich laufend stellen, denn seit einigen Jahren zählt der 29-Jährige zum Ensemble am Münchner Residenztheater und hat vorerst in der bayrischen Landeshauptstadt Wurzeln geschlagen.

Williams als Vorbild

Vor der Kamera fühlt sich der Schauspieler ebenfalls wohl, ist unter anderem als Simon in „Vorstadtweiber“ zu sehen und verkörpert Cedric in „Fack ju Göhte 2“. Von 2021 bis 2023 gehört er außerdem zur Besetzung der Netflix-Serie „Die Kaiserin“. Was eine gute Rolle für ihn ausmacht, kann Nussbaum nicht pauschal sagen: „Es gibt eine Bandbreite von unterschiedlichen Figuren, die mich interessieren. Was ich in den letzten Jahren häufig spielen durfte, sind Figuren, die ein gewisses Gesellschaftsbild infrage stellen. Die Normen infrage stellen und in einem fiebrigen, nicht zufriedenen Zustand sind. Ich finde, die Welt braucht solche Leute.“

Er selbst sei aktuell dabei, sich neu zu entdecken, sich zu erlauben, wieder Kind zu sein. Als Schauspieler möchte er vor allem gute Geschichten erzählen. „Theatermenschen wie Ofczarek haben mich wahnsinnig inspiriert. Auch Oskar Werner – der natürlich eine streitbare Figur war, oder amerikanische Schauspieler wie Al Pacino. Wer sehr prägend war für mich ist Robin Williams. Er bleibt vor der Kamera ein Theaterschauspieler. Und das war auch mein Wunsch. Das, was ich verfolgen wollte als Schauspieler. Und nicht zu brav zu werden.“

Super strange

Künstliche Intelligenz und ihr Einsatz im Film bereiten Nussbaum keine Bauchschmerzen. Er mache sich eher Sorgen darüber, dass Leute aufhören, in Kultur zu investieren, denn: „Kultur schafft Gemeinschaft und wenn wir keine Gemeinschaft haben, sind wir verloren. Wenn wir diese gemeinschaftlichen Erlebnisse abschaffen, dann vereinzeln die Leute.“

Angehenden Schauspielerinnen und Schauspieler rät Nussbaum zwei Dinge. Erstens: Sich selbst zu provozieren, in neue Räume zu gehen. „Für mich war es die große Stadt. Das kann aber für jeden etwas anderes sein.“ Entscheidend sei, neue Wege zu betreten und an den Erfahrungen zu wachsen. Zweitens: Eine Ausbildung zu absolvieren. „Macht eine Ausbildung, lernt diesen Beruf, weil es auf Dauer gesund ist. Weil einem das Filmbusiness dazu animiert, einfach zu machen. Für mich war die Ausbildung eine Möglichkeit, diesen sonderbaren Beruf auch wirklich als Beruf wahrzunehmen.“ Und weiter: „Ich kann nur alle ermutigen, in ihrer weirdness zu bleiben. Dass es okay ist, super strange zu bleiben. Denn Normen braucht echt keiner.“

Von Kristina Leitner