Chronik/Niederösterreich

Motocrosser im Visier von Jäger: Ein Schuss, ein Schwerverletzter

Eine illegale Motocrossfahrt von fünf jungen Burschen in einem Jagdgebiet bei Bad Erlach (Bezirk Wiener Neustadt) ist genau zur Hirschbrunft im vergangenen September gefährlich eskaliert. Weil der 73-jährige Aufsichtsjäger des Reviers die Teenager ins Visier genommen und in Richtung der Biker geschossen hatte, mussten sich der Waidmann und sein Sohn am Dienstag unter anderem wegen schwerer Nötigung und gefährlicher Drohung am Landesgericht Wiener Neustadt verantworten.

Konfliktpotenzial im Wald

Es ist ein schwelender Konflikt zwischen Jägern, Motorradfahrern und Mountainbikern, der seit Jahrzehnten im Wald die Emotionen unter allen Beteiligten hochgehen lässt. Im Fall von Bad Erlach ist die Situation allerdings auf lebensgefährliche Art und Weise eskaliert.

Es war am 25. September, als der 73-jährige Aufsichtsjäger am späten Nachmittag in der Eigenjagd "auf einen Hirsch“ aus war. Als die dröhnenden Motoren von Motocrossmaschinen die Stille des Waldes durchdrangen, war es mit der Ruhe vorbei. "Fünf Motorradfahrer haben den Jungwald zerpflügt“, schildert der Pensionist, weshalb er vom Hochstand kletterte. Die "gesicherte Jagdwaffe" habe er dazu freilich mitgenommen.

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Ein Fall von Jägerlatein?

Was danach geschah, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Auf einer Lichtung neben einem Forstweg trafen die fünf jungen Motocrosser - keiner hatte ein Kennzeichen am Motorrad - mit dem Aufsichtsjäger zusammen. "Er hat plötzlich auf uns gezielt. Ich habe den anderen geschrien und wir sind losgefahren“, schilderte einer der Burschen im Zeugenstand. Als er beim Losfahren kurz zurückblickte, brach ein Schuss. Das Projektil aus dem Jagdgewehr schlug "einen Meter neben dem Hinterreifen“ ein. "Der Gatsch spritzte. Ich habe nur mehr Gas gegeben“, so der Bursche.

Wildschwein

Die Version des 73-jährigen ließen bei der Staatsanwältin und der vorsitzenden Richterin Zweifel aufkommen. Die "Motocross-Rowdys" hätten ein Wildschwein aufgescheucht, auf das der Jäger mit seiner Repetierbüchse sofort geschossen habe. "Wir haben so viele Wildschäden im Revier“, meinte der Jäger, weshalb es wichtig sei, jede Wildsau zu erlegen.

"Und, was war mit der Sau?", wollte die Richterin wissen. "Ich habe sie verfehlt“, so der Angeklagte. Die Richterin konnte gar nicht glauben, dass der Mann tatsächlich einen Schuss in Richtung der Burschen abgab. "Die waren weit weg“, so der 73-Jährige.

Damit war die Sache aber noch lange nicht zu Ende. Während die Burschen mehr oder weniger geschockt Gas gaben und das Weite suchten, fuhren sie einige hundert Meter weiter auf dem Forstweg dem Sohn des Aufsichtsjägers in die Arme. Der Pächter der Eigenjagd wollte sie aufhalten und zur Rede stellen. Seiner Aussage nach stand er seelenruhig auf dem Schotterweg, als die "Rowdys" mit etwa 50 km/h auf ihn zufuhren.

Knöchelbruch und Blessuren

Die Burschen sagten aus, der Mann habe versucht sie mit einem Stock oder Ast unsanft von den Maschinen zu befördern, was der Angeklagte dementiert. Es kam zum Zusammenstoß. "Ein Motorradfahrer hat mich mit dem Fußraster erwischt, worauf ich weggeschleudert wurde“, so der Jäger.

Er erlitt bei dem Unfall einen Knöchelbruch, eine massive Wunde am Schienbein sowie Blessuren. Nur zwei der Motocrosser blieben stehen und boten ihre Hilfe an, die anderen Drei brausten davon. Sie wurden später von der Polizei ausgeforscht.

27 Sekunden langes Telefonat

Mehrere Umstände in der Causa kommen der Staatsanwältin "merkwürdig“ vor. Der Polizei gegenüber erklärte der Sohn, dass er alleine im Revier gewesen sei. Es habe nach dem Zwischenfall auch kein Telefonat mit dem Vater gegeben.

Die Ermittlungen der Polizei ergaben etwas ganz anderes. Gleich nach dem Zusammenstoß mit dem Motorradfahrer hatten Sohn und Vater 27 Sekunden miteinander telefoniert. Das habe er im Schock vergessen, meinte der Sohn.

Massive Zweifel an den Schilderungen kamen auch beim Anwalt von einem der Motorradfahrer auf. "Ihnen erzählt der Sohn am Telefon, dass er gerade niedergefahren und verletzt wurde und sie setzten sich wieder bis in die Nacht auf den Hochstand zurück? Das verstehe ich nicht“, sagt Rechtsanwalt Christian Hirsch. "Ich habe geschaut, ob der Hirsch noch daherkommt“, antwortete der 73-Jährige.

Der Prozess wurde auf 11. Februar vertragt. Es müssen noch Zeugen gehört werden, außerdem wurden Beweisanträge gestellt.