Ausgesetzte Giftschlangen im Kletterparadies
Von Patrick Wammerl
Die Fischauer Vorberge sind eine Art Geheimtipp unter Kletterern. Nur wenige Minuten von der Hohen Wand (Bezirk Wiener Neustadt) entfernt, gibt es am Emmerberg einen anspruchsvollen Klettergarten und Felsen. Genau dort haben Sportler eine spannende und zugleich beunruhigende Entdeckung gemacht. Während einer Tour stießen sie nämlich auf eine stattliche Schlange mit auffälligem Zick-Zack-Muster und einem Horn auf der Schnauzenspitze.
Im Süden heimisch
Zur Identifizierung ging das Bild an die führende Schlangen-Expertin und Zoologin im Naturhistorischen Museum, Silke Schweiger. „Ich dachte mir zuerst, dass das keine Hornotter sein wird, weil diese in Österreich sonst nur in Kärnten und der südlichen Steiermark vorkommen, aber nicht so weit nördlich. Dann habe ich aber das Foto bekommen und es handelte sich tatsächlich um eine weibliche Europäische Hornviper“, sagt die Herpetologin.
Zusammen mit einem Team wollte Schweiger der Sache auf den Grund gehen und fuhr nach Winzendorf, wo die Sichtung stattgefunden hatte. Und tatsächlich wurden die Schlangen-Experten fündig. Im Zuge der Exkursion entdeckten die Zoologin und ihre Kollegen sechs Exemplare der giftigen Hornviper. Sie fingen sie ein, untersuchten und vermaßen die Tiere und nahmen mittels Abstrich eine DNA-Probe. Anschließend wurden die Tiere katalogisiert und unbeschadet wieder in die Wildnis entlassen.
Ein Labor in Deutschland untersuchte die DNA-Proben. An Hand des genetischen Materials stellte sich heraus, dass die Tiere höchstwahrscheinlich südosteuropäischer Herkunft sind. Es handelt sich vermutlich um Terrarientiere, die in dem felsigen Gelände ausgesetzt wurden. Sie dürften sich in der Umgebung der Fischauer Vorberge wohl fühlen und auch vermehrt haben. Ihr neuer Lebensraum ist der Öffentlichkeit vor allem durch die jährlichen Winnetou-Festspiele im Winzendorfer Steinbruch bekannt.
Um die Bevölkerung über das Vorkommen der Giftschlangen zu informieren, hat die Gemeinde Winzendorf-Muthmannsdorf vergangene Woche ein Informationsblatt an die Bevölkerung hinaus gegeben. Man will einerseits Angst und Panik vermeiden und andererseits auch die Schlangen schützen. „Das Gift der Hornvipern ist ungefähr so gefährlich wie das der Kreuzottern. Üblicherweise benötigt man nach einem Biss nicht einmal ein Gegengift. Es gibt auch keinen belegten Todesfall“, beruhigt Schweiger.
Für Kleinkinder und Hunde gefährlich
Die Gemeinde will die Sache aber auch nicht verharmlosen. Im Schreiben an die Bevölkerung heißt es: „Der Biss der Hornviper ist giftig und kann für Kleinkinder und Hunde lebensgefährlich sein“
Nicht angriffslustig
Laut Schweiger sind die Tiere allerdings scheu und nicht angriffslustig. Eine Sichtung und ein Biss sind daher äußert unwahrscheinlich, meint die Zoologin. Weil eine Verbreitung der Europäischen Hornvipern so weit nördlich bisher unbekannt war, will das Naturhistorische Museum die Population auch entsprechend wissenschaftlich begleiten. Eine Diplomandin der Universität Wien startet eine Diplomarbeit über das Vorkommen und führt eine Habitatsanalyse durch. Wie Schweiger erklärt, ist auch ein Vortrag zu dem Thema geplant. „Niemand braucht sich vor diesen Tieren zu fürchten. Man kann wunderbar mit ihnen koexistieren“, erklärt die Schlangen-Expertin.
In der Gemeinde hofft man, dass eine Art Schlangen-Tourismus ausbleibt und die Tiere in Ruhe gelassen werden. Wie alle europäischen Schlangenarten sind auch die Hornvipern nach der Berner Konvention streng geschützt. Das Fangen und Töten der seltenen Tiere ist strafbar.