Frauenberatungsstelle feiert Jubiläum: „Es braucht uns genauso wie 1989“
Von Michaela Höberth
Es ist ein Bild, das mehr als Tausend Worte sagt. Vier Frauen haben sich vor einem Gebäude in Hollabrunn für ein Foto zusammengefunden. Sie sind gelöst, sie lachen, sie freuen sich. Der Tatendrang, er ist ihnen anzusehen.
Wohl umso mehr, weil der Weg zu diesem Schnappschuss alles andere als leicht war. Tatsächlich mussten Gundi Dick, Roswitha Tscherkassky, Elisabeth Zotter und Esther Schönherr echte Pionierarbeit leisten, um an diesem 4. Oktober im Jahr 1989 ihr Herzensprojekt feiern zu dürfen. Denn Frauenberatungsstellen waren Ende der 80er-Jahre ein Novum. Was die Gründung des Vereins „Frauen für Frauen“ vor mittlerweile 35 Jahren umso bedeutsamer macht.
Mehr als Arbeitslosigkeit
Dabei hatte alles als Arbeitsmarktprojekt begonnen. Der Eiserne Vorhang hatte das Weinviertel geprägt; die Wirtschaft lag am Boden, die Arbeitslosigkeit stieg. Viele Erwerbstätige mussten pendeln oder zogen nach Wien. Besonders betroffen von diesen Entwicklungen waren Frauen; die Frauenarbeitslosigkeit in der Region stieg überproportional stark an, weshalb die Arbeitsmarktverwaltung (später Arbeitsmarktservice) beschloss, Maßnahmen dagegen zu setzen.
Doch bei Interviews mit Frauen im gesamten Weinviertel stellte sich schnell heraus: Die Arbeitslosigkeit war zwar ein Problem, aber bei Weitem nicht das einzige. „Das, was im Jargon der Arbeitsmarktverwaltung ’Vermittlungshindernisse’ hieß, wurde sehr konkret“, schildert Gundi Dick, Mitbegründerin und von 1991 bis 1993 dessen Obfrau.
Nämlich die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie, fehlende Kindergärten, unterhaltssäumige Väter, mangelnde oder überholte Berufsausbildung sowie Wohnungsprobleme, Schulden, eingeschränkte Mobilität oder gesundheitliche Probleme. Und auch Gewalt in Ehe oder Partnerschaft waren damals keine Seltenheit – dafür ein umso größeres Tabuthema in der Gesellschaft.
„Wir wollten Probleme ansprechen, Tabus brechen und Frauendiskriminierung auf die Agenda setzen."
Mitbegründerin
„Wir wollten Probleme ansprechen, Tabus brechen und Frauendiskriminierung auf die Agenda setzen“, sagt Dick. Und das gelang dem Gründungsteam trotz vieler Widerstände auch. Heute unterstützt der Verein jährlich mehr als 3.000 Frauen und beschäftigt 49 Angestellte. Und nach Hollabrunn wurden auch Beratungszentren in Mistelbach, Stockerau und schließlich auch Wien eröffnet.
Themen haben sich nicht verändert
„Es ist sehr traurig, aber die Themen haben sich nicht großartig verändert. Es braucht uns genauso wie 1989“, sagt die aktuelle Geschäftsführerin von „Frauen für Frauen“, Manuela Kräuter. Denn noch immer würden Frauen unsichtbare Arbeit leisten, noch immer würden sie weniger Geld erhalten, noch immer würden sie dafür spätestens in der Pension büßen und noch immer gebe es Gesetze, die nur am Papier existieren. Und sogar Rückschritte – wie die Diskussionen über Abtreibungsverbote oder ein veraltetes Frauenbild, das in den Sozialen Medien propagiert wird – sind zu verzeichnen.
Kampf für die Zukunft
„Die mentale Belastung für Frauen ist so hoch wie nie“, gibt Kräuter die Erfahrungen ihrer Beraterinnen wieder. Hinzu kämen neue Themen, wie Cybergewalt oder K. O.-Tropfen. Doch auch Erfolge seinen zu verzeichnen, wie ein offenerer Umgang mit häuslicher Gewalt, was auch die Zahl der Anzeigen belegen würden.
„Wir wissen, dass erst die nächste Generation die Früchte unserer Arbeit ernten kann“, sagt Kräuter, die beste Motivation seien jedoch all jene Frauen, die dank der Arbeit des Vereins gestärkt in eine neue Zukunft starten. „Und jede davon ist eine Mitkämpferin, wenn es darum geht, die Gesellschaft zu verändern.“