Chronik/Niederösterreich

Aus Alt mach Neu: Reparatur-Cafés in Niederösterreich boomen

Aufgeregtes Durcheinanderreden, geschäftiges Tüfteln, das Klimpern von Werkzeugen und der Geruch von Kaffee, der einem in die Nase steigt - ja, diese Dinge passen tatsächlich zusammen. Im Reparatur-Café treffen sich Reparatur-Profis mit Reparatur-Anfängern, die kaputte Alltagsgegenstände mitbringen. Statt sie jedoch wie gewohnt zum Sperrmüll zu bringen, sollen streikende Kaffeemaschinen, Drucker und andere Geräte hier wiederbelebt werden.

Hilfe zur Selbsthilfe

Sinn der Sache ist kein Gratis-Service für in die Jahre gekommene Alltagsgeräte, sondern die "Hilfe zur Selbsthilfe". Mit professioneller Unterstützung soll jeder selbst verstehen und mitanpacken bei der Reparatur. Elf Reparatur-Cafés gibt es in Niederösterreich verstreut. Alle davon finden auf ehrenamtlicher Basis statt, teilweise privat, teilweise von politischer Seite initiiert oder von Organisationen wie der Volkshilfe.

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Wir sind zu Gast im Reparatur-Café Wr. Neustadt, hier herrscht reges Treiben. Kaum angekommen, befinden wir uns bereits mitten im Tüftel-Geschehen. Eine ältere Besucherin kommt gerade mit ihrem Bügeleisen im Gepäck vorbei: "Ich hab´ gebügelt, aber das Eisen ist einfach kalt geblieben. Ich hab´ mir gedacht, da hat´s was. Und weil ich letztens erst hier vorbeigegangen bin und das Reparatur-Café gesehen hab´, hab´ ich mir gleich gedacht, da geh´ ich hin." Gemeinsam mit einem beruflichen Elektriker und ehrenamtlichen Helfer wird das Eisen genau begutachtet und kurze Zeit später dampft es den beiden schon wieder ins Gesicht. Prinzipiell gilt die Regel: alles, was man tragen kann, darf ins Reparatur-Café mitgebracht werden.

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Ungebrochener "Repair"-Trend

2017 ist Repa-Net als Interessensvertretung für Reparaturnetzwerke, Reparaturinitiativen und Re-Use-Betriebe entstanden. Zur damaligen Zeit ist der Trend der Reparatur-Cafés schon aufgeblüht. "Nach wie vor entwickelt sich der Trend zu Reparatur-Cafés ungebrochen nach oben, es gibt immer noch Neugründungen von Initiativen und die Bewegung weitet sich aus", erzählt Matthias Neitsch, Geschäftsführer von Repa-Net. "Ich glaube, die Unzufriedenheit der Menschen über die immer kürzere Lebensdauer von Alltagsgegenständen wächst. Da bestehen ein wirklich tiefes Unbehagen und ein Frust bei den Leuten darüber, dass vieles schnell kaputtgeht und nichts mehr wirklich langfristigen Wert hat."

Peter Czeipek repariert beruflich, aber engagiert sich auch ehrenamtlich im Reparatur-Café: "Die Leute haben einfach das Gefühl, und sehen dabei gar nicht so den ökonomischen Aspekt, es ist nicht richtig so ein Gerät, nur, weil sich da jetzt ein kleines Rädchen nicht mehr richtig dreht, als Ganzes wegzuschmeißen. Da sind ja ganz viel wertvolle Rohstoffe und Teile, die noch funktionieren rundherum und das schmeißt man einfach nicht weg."

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Obwohl er ehrenamtliche Reparaturen durchführt, sieht er darin keine Konkurrenz zu seiner Arbeit: "Diese Geräte zu reparieren, funktioniert nur in einem Umfeld wie hier. Wenn man das im ökonomischen Bereich machen würde, kostet die Reparatur schnell so viel, wie ein neues Gerät  – das ist halt unsere komische Welt."

Auch mit Nadel und Faden

Neben den bereits relativ verbreiteten Reparatur-Cafés gibt es auch die Idee von sogenannten Näh-Cafés. Dort treffen sich interessierte Frauen und erlernen gemeinsam den Umgang mit der Nähmaschine, sowie das Ändern oder Neugestalten von Kleidungsstücken. Dieses Projekt fördert jedoch nicht nur das Interesse am Umgang mit Nadel und Faden, sondern auch an der Gemeinschaft aller. Initiator des Näh-Cafés in Amstetten Gerhard Steinkellner erzählt: "Ein paar nähen, ein paar tratschen, ein paar üben gemeinsam Deutsch und die Kaffeemaschine läuft."

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Auch in Wr. Neustadt gibt es eine eigene "Schneiderei-Abteilung". Viele bringen ihre Nähmaschinen mit, weil Kleinigkeiten daran nicht mehr funktionieren. Nachdem eine Nähmaschine wieder zum Rattern gebracht wurde, verlässt das alte Ehepaar das Café zufrieden. Der Mann wirft noch einen Handkuss zurück ins Café: "Unser Liebling geht wieder, danke euch."

von Theresa Bittermann