Chronik

KH Nord: Ein Spital als Notfallpatient

Das Wiener Prestigeprojekt Krankenhaus Nord droht, aus dem Ruder zu geraten. Nach dem vernichtenden Bericht der Begleitenden Kontrolle schlagen jetzt auch Insider aus der Baubranche Alarm: Angesichts der chaotischen Planung sei nicht mit einer Eröffnung vor 2019 zu rechnen. Das wäre eine Verspätung von mindestens drei Jahren. Der Bau müsste derzeit vom Zeitplan zur Hälfte fertig sein, tatsächlich habe man aber erst ein Viertel erreicht. Die Kosten könnten aufgrund der Verzögerungen auf über 1,4 Milliarden Euro klettern, sagt der Insider. Zuletzt war man vonseiten der Stadt von 954 Millionen Euro ausgegangen.

"Ich habe schon viele Baustellen gesehen, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt", erzählt ein Mitarbeiter eines Baubetriebs. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Schließlich bekomme seine Firma immer wieder Aufträge von der Stadt. Das Projektmanagement sei derart chaotisch, dass kaum ein Zeitplan eingehalten werden könne.

Beweissicherung

Wie groß die Nervosität auf der Baustelle ist, zeigt auch die Beweissicherung, die mehrere beteiligte Haustechnik-Firmen im März beim Bezirksgericht durchgesetzt haben. Sachverständige haben in den vergangenen Wochen die Baupläne auf den Servern überprüft und fotografisch den Ist-Zustand der Baustelle festgehalten. Auf diese Weise wollen sich die Baufirmen im Falle eines Rechtsstreits mit der Stadt absichern. Das ruft jetzt die Opposition auf den Plan: "Ich fordere eine Bestands- und Kostenberechnung, bevor das Projekt aus dem Ruder läuft", sagt FPÖ-Stadtrat David Lasar.

Thomas Balázs, Direktor für Infrastruktur und Organisationsentwicklung des Krankenanstaltenverbunds, sieht der Beweissicherung gelassen entgegen. Solche seien bei Bauvorhaben durchaus üblich und würden für beide Seiten Sicherheit schaffen.

Verzögerungen leugnet Balázs nicht. Sie hätten vor allem zwei Gründe: "Ende 2012 stellte sich heraus, dass die Statik-Planung für das Tragwerk falsch war." Dazu ging vor wenigen Monaten die für die Fassadenerrichtung zuständige Firma in Konkurs. Aufgrund dieser unerwarteten Ereignisse sei es nötig geworden, die Reihenfolge der Arbeiten an einzelnen Bauabschnitten zu ändern. Den Vorwurf des Planungschaos’ weist Balázs heftig zurück. "Wenn dem so wäre, hätten wir den Rohbau auch nicht fertig bekommen."

Zu den von Insidern prognostizierten Zeit- und Kostenüberschreitungen sagt Balázs: "Wir werden das Gegenteil beweisen." Er geht davon aus, dass der Betrieb des Spitals 2016 beginnen kann.

VP-Gemeinderätin Isabella Leeb hat den Glauben an solche Versprechungen verloren. Sie verweist auf vergangene Skandale, etwa beim Umbau der Feuerwache oder der Sanierung des Stadthallenbads. "Das ist alles kein Zufall. Das passiert, weil jeder Stadtrat seinen Schrebergarten bestellt", sagt Leeb: "Besser wäre ein zentrales Baumanagement der Stadt, wo sich Experten um Großprojekte kümmern."