Meine Begegnung mit König Charles III
Von Georg Markus
Es war der 5. April 2017, an dem der Bundespräsident ein Abendessen zu Ehren des damaligen Prinzen von Wales und seiner Frau, der Herzogin von Cornwall, gab. Wie durch ein Wunder bekam ich eine Einladung zu diesem Empfang, wobei ich eigens darauf hingewiesen wurde, dass ich nicht in meiner Eigenschaft als Journalist, sondern als Schriftsteller gebeten sei. So konnte ich in der Hofburg das noch größere Wunder erleben, die Gelegenheit zu einem Plausch mit dem jetzigen König Charles III zu bekommen.
Hundert Personen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte rund 100 Personen zu dem Empfang mit den Royals in die Wiener Hofburg geladen. In der Tat war an dem Abend außer mir kein Journalist anwesend. Und auch der einzige zugelassene Fotograf musste noch vor Beginn des Dinners die Hofburg verlassen.
Das Eintreffen von Charles und Camilla war für 20 Uhr angesetzt, die anderen Gäste wurden gebeten, spätestens um 19.45 Uhr zu erscheinen. Nach ihrem dichten Programm am Nachmittag verspäteten sich Charles und Camilla um eine Viertelstunde.
Wie von Geisterhand
Dann aber öffnen sich wie von Geisterhand die Türen zur Geheimen Ratsstube der Wiener Hofburg und der Bundespräsident geleitet seine hohen Gäste in den prunkvollen Raum. Alles erhebt sich von den Stühlen, Prinz Charles und Herzogin Camilla nehmen ihre Plätze ein.
Van der Bellen und Charles halten freundliche Ansprachen, der Prinz holt sein bestes Deutsch hervor und betont die guten Beziehungen der beiden Länder. An der langen Tafel spricht man während des Essens u. a. über den damals bereits in die Wege geleiteten Brexit, der aber in den offiziellen Reden nicht erwähnt wird.
Nach der Mehlspeis’ werden die Gäste zum Kaffee in einen Nebenraum gebeten. „Ihre Königlichen Hoheiten werden sich mit den Anwesenden unterhalten“, wurde uns mitgeteilt. Und tatsächlich. Ich beobachte, wie das Paar locker und charmant mit Gästen spricht und sich von seiner besten Seite zeigt.
Gespräch mit Charles
Ohne es auszusprechen, will der Thronfolger offensichtlich zum Ausdruck bringen: „Auch wenn wir bald nicht mehr in der EU sein werden, wir gehören zu Europa und damit auch zu Österreich.“
Doch jetzt geschieht das Unglaubliche: Der damalige Bundeskanzler Christian Kern kommt auf mich zu, spricht mich auf meine Bücher und Kolumnen an und fragt, welches das nächste Thema sei. Dann erzählt er mir, dass Camilla – die bei dem Dinner seine Tischnachbarin war – zu ihm gesagt hatte, dass sie von den vielen „Selfies“, wo immer sie hinkomme, nicht begeistert sei. „Wenn man so oft fotografiert wird wie sie“, erwidere ich, „kann ich das verstehen. Andererseits verstehe ich auch die Leute, die mit ihr oder dem Prinzen fotografiert werden wollen.“
Just in diesem Moment nähert sich uns der von allen Seiten umringte Prinz Charles. Der Bundeskanzler stellt mich dem Thronfolger als Autor vor, der über historische, meist österreichische Themen schreibt. Und schon bin ich mit dem Prinzen in ein Gespräch vertieft. Charles zeigt ehrliches Interesse für Österreichs Geschichte. Themen waren der alte Kaiser, das Ende der Monarchie und die Neutralität.
Während ich mit dem Prinzen spreche, deutet der Bundeskanzler – auf unser voriges Thema Bezug nehmend – auf eines der vielen Handys, die in dem grün tapezierten Festsaal umherschwirren, und fragt mich mit einem Fingerzeig, ob er von Charles und mir ein Foto machen solle.
Er muss die unausgesprochene Frage nicht zweimal stellen, ich hole mein Handy aus der Sakkotasche, reiche es dem Bundeskanzler, und der drückt ein paar Mal ab.
Und das alles, während ich mit Charles spreche, denn der Plausch ist zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Gange. Es war mir nämlich ein Anliegen, die Gelegenheit wahrzunehmen, einem Mitglied des Königshauses sagen zu können, dass ich England zutiefst dankbar bin, weil meine Mutter in der Zeit des Nationalsozialismus dort überlebt hat, und dass ich ohne die Großherzigkeit seines Landes womöglich gar nicht hier stehen würde. Charles zeigt sich berührt, stellt noch ein paar Fragen zu meiner Familie und erklärt, stolz zu sein, dass England damals helfen konnte.
Das Gespräch hat alles in allem vielleicht vier oder fünf Minuten gedauert, ehe sich der heutige König – ganz britischer Gentleman – höflich verabschiedet und ihm weitere Gäste vorgestellt werden.
Ich neige nicht zu sentimentaler Prinzen- und Königsverehrung. Aber ich muss zugeben, dass mich dieser Mann in seiner ruhigen, überlegten und liebenswürdigen Art beeindruckt hat. Ich kann mir vorstellen, dass Charles, auch wenn er in große Fußstapfen tritt, seiner Aufgabe als König in schwierigen Zeiten gerecht werden könnte.
georg.markus