Chronik/Burgenland

Vinophilen Bräuchen auf der Spur

Eines vorweg: Dieser Ausflug quer durch Österreich entspricht allen Verordnungen zur Osterruhe. Es ist eine Reise von der Vergangenheit in die Gegenwart, zu der der gebürtige Burgenländer Johann Werfring lädt. Sie führt an verschiedene Orte und lässt jahrhundertealte Traditionen in neuem Licht erscheinen. Und immer dreht und dreht sich alles – um den Rebensaft.

"Aus dem Versteck geholt"

„Bräuche haben mich immer schon interessiert“, sagt Werfring. Dafür hat sich der Kulturhistoriker, Weinkritiker und Journalist über Jahre hinweg auf Spurensuche begeben. „Ich habe mir die Bräuche selbst angeschaut und sie aus dem Versteck geholt.“

Wie sehr die österreichische Weinwelt von einer archaischen Sehnsucht nach Ritualen geprägt ist, stellt der Autor in seinem jüngsten Werk „Weinbräuche in Österreich“ (edition lex liszt 12) in fünfzig Kapiteln dar. Beleuchtet werden sämtliche Lebensbereiche und Jahreszyklen. 287 Bilder lassen das vinophile Brauchtum lebendig werden.

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Beim Durchstreifen der Land- und Ortschaften macht Werfring immer wieder einen Zwischenstopp und gewährt Einblicke in bekannte, lieb gewonnene Traditionen. Er nimmt seine Leser etwa mit zum Fasslrutschen nach Klosterneuburg, zum Weinlesefest ins steirische Gamlitz und zum Martiniloben ins Burgenland.

Dabei gibt es auch viel Neues über alte Rituale zu erfahren, die einst Struktur in die Lebenswelt der Hauer brachte. Oder wussten Sie, was es zu Ostern mit  dem „in d’Grean gehn“ auf sich hat, wo "gepalmt" und wo der Emmauswein kredenzt wird?

"Aufpalmen" in Purbach

In Purbach am Neusiedler See zum Beispiel begibt man sich noch heute am Ostermontag zum Emmausgang. Dabei handelt es sich um einen christlichen Brauch, der an den Gang der Jünger nach Emmaus erinnern soll.

Die Winzerfamilie Leidl-Putz marschiert an dem Feiertag durch die Rieden des Leithagebirges. „In unseren Weingärten stecken wir die geweihten Palmkatzerl in den Boden oder binden sie an Pfähle – in der Hoffnung auf ein gutes Jahr und dass keine Unwetter die Rebstöcke in Mitleidenschaft ziehen“, erklärt Winzerin Sonja Putz.

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EmmausWinzer

Nicht überall sei der Emmausgang „ein Brauch mit sakraler Zeremonie“. Im Weinviertel war es früher Sitte, dass die Hauer am Ostermontag ihre Dienstleute, Freunde und Verwandte zu einem Ausflug in die Kellergassen einluden, ist zu lesen. Der Brauch „in d’Grean gehn“ sei eine Anspielung auf das Ergrünen der Natur zur Osterzeit. Wein, Brot und Geselchtes wurden aufgetischt.

Damit verband sich einst die Redensart „So mancher geht em (eben, Anm.) aus (was sich anhört wie Emmaus) und kommt schief heim. Ein Foto aus Untermarkersdorf im Waldviertel von 1960 gibt Zeugnis davon. Eines der abgebildeten Mädchen fungierte jetzt, rund 60 Jahre später, als Zeitzeugin.

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Kennengelernt hat der 1962 geborene Autor bei seinen Feldforschungen auch das steirische Wernersdorf. Rund um den Festtag der Hl. Theresa am 15. Oktober werden dort die Trauben von den EmmausWinzern gemeinschaftlich gelesen und verarbeitet: dazu steigen die Weinkönigin und weitere Damen in eine alte Weinpresse zum Traubentreten. Ihre Füße lassen sie sich hernach waschen. „Der Emmauswein wird jedes Jahr am Ostermontag präsentiert“, erklärt Werfring.

Überraschend sei für ihn die Vielfalt an Brauchtümern, die heute noch vorhanden ist. „Aber auch gewisse Sehnsüchte nach Ritualen haben dazu geführt, dass altes Brauchtum wiederentdeckt und zu neuem Leben erweckt wurde.“

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Der Verlag: „Weinbräuche in Österreich“ ist im Verlag edition lex liszt 12 erschienen und kostet 34 Euro. www.lexliszt12.at

Der Verfasser: Johann Werfring stammt aus Sieggraben (Bezirk Mattersburg). Er ist promovierter Historiker und Lektor für Agrargeschichte an der Universität für Bodenkultur Wien. Werfring schreibt u. a. als  Weinkritiker für die Weinfachzeitschrift  „Vinaria“ und für die „Wiener Zeitung“.