Chronik/Burgenland

„Sozialer Nahversorger“ für Kinder und Familien

Die Schule ist aus, die Kinder trudeln in der warmen Stube ein. Dass Knoblauchcremesuppe auf dem Speiseplan steht, ist schon an der Haustür zu erahnen. Das Essen haben sich die Kinder gewünscht.

Ein großer Adventkranz steht in der Mitte des Tisches, die Burschen und Mädchen nehmen Platz.

Auch Manuela (Name geändert) kommt fast jeden Tag nach der Schule – außer freitags. „Wir hatten viel Streit in der Familie“, erklärt die 14-Jährige. Ein Nachbar hatte das Jugendamt eingeschaltet. Seit zwei Jahren besucht die Jugendliche die Tagesbetreuung des SOS Kinderdorfes in Oberwart.

"Reintegration" als Ziel

Das Mädchen hat viele Interessen, dazu gehört Lesen, Zeichnen oder auch die Auseinandersetzung mit geschichtlichen Ereignissen. Behutsam geht Pädagoge Helmut Barnstedt auf die Bedürfnisse seiner Schützlinge ein. Manuelas Wunsch zu lesen wurde unter anderem durch die Gründung eines Leseklubs Rechnung getragen.

Gemeinsam wird in der Tagesbetreuung (vor-)gelesen, gespielt, gegessen und gelernt. „Um 15 Uhr gibt es eine gemeinsame Obstjause, da wird der Plan für den weiteren Tag besprochen“, erklärt der Sozialpädagoge.

Österreich
1.688 Kinder haben 2021 in einem der österreichischen SOS Kinderdörfer ein Zuhause gefunden. Zusätzlich wurden 3.035 Kinder, Jugendliche und ihre Familien beraten und unterstützt

Burgenland
Etwa 220 Kinder fanden 2021 ein neues Zuhause   in  einer Kinderdorf-Familie oder  in einer Wohn- bzw. Krisenwohngruppe

300 Kinder
wurden heuer vom SOS Kinderdorf im Burgenland präventiv betreut – mobil, durch Wohnen oder Tagesbetreuung

Immer öfter fungiert das SOS Kinderdorf als „sozialer Nahversorger“, mit den verschiedenen Betreuungsmöglichkeiten. Waren es früher vor allem längerfristige Unterbringungsformen, gibt es heute auch kurzfristige Unterstützungsmöglichkeiten. Eine davon ist die Tagesbetreuung, die vor zwei Jahren in Oberwart ihre Pforten geöffnet hat.

Bis zu zehn Kinder im Alter zwischen sechs und 15 Jahren aus unterschiedlichen Schulen im Bezirk werden hier betreut.

Individualität für alle

Ziel ist es, die Burschen und Mädchen zu stützen, die Eltern zu stärken und die Familien zu erhalten. Manchmal geraten Familien durch diverse Umstände wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Existenznot oder Alkoholmissbrauch in eine schwierige Lebenslage. Manche Kinder und Jugendliche aus diesen Familien sind sozial zurückgezogen. Andere werden aggressiv und dürfen wegen ihrer Verhaltensauffälligkeit weder die Nachmittagsbetreuung noch den Hort besuchen.

1979 gaben SOS-Kinderdorf und der KURIER Kindern, die vor dem schrecklichen Vietnamkrieg fliehen mussten, ein neues Zuhause. Binnen kürzester Zeit wurden in den beiden Kinderdörfern Moosburg (Kärnten) und  Pinkafeld im Burgenland Häuser gebaut.

Finanziert wurde das Projekt im Rahmen der Aktion „KURIER hilft helfen“ über die Spendenbereitschaft der Leserinnen und Leser. Im SOS Kinderdorf Pinkafeld bieten zwei dieser Häuser bis heute ein Heim für Kinder und Jugendliche.

Haus und Platz

Beim Besuch dieser Häuser sieht man an den Wänden noch immer Tafeln mit der Aufschrift „Kurierplatz“ und „Kurier-Haus“. „Im Haus 15 leben sechs Kinder in einer familienähnlichen Wohnsituation. Daneben findet sich noch ein weiteres Haus, das aktuell leer steht, aber bereits für eine Familie vorbereitet ist“, erklärt Sandra Gottwald, pädagogische Leiterin  in Pinkafeld.

Beim vorweihnachtlichen Besuch des KURIER wird gerade der Geburtstag eines Kindes mit dessen Mutter nachgefeiert. Bunt geschmückt zeigt sich der Wohnbereich, die Stimmung im „Kurier-Haus“ mit der Nummer 15 ist ausgezeichnet.

In der Tagesbetreuung des SOS Kinderdorfs ist „die Reintegration der betroffenen Familien oberstes Ziel“, sagt Anita Bürger, pädagogische Leiterin der Einrichtung. Während die Kinder Unterstützung durch Sozialpädagoginnen und -pädagogen erfahren, suchen die Experten auch das Gespräch mit den Eltern.

„Wichtig ist, das Kind bei den Gesprächen mit den Eltern mitreden zu lassen, damit es seine Wünsche auch äußern kann“, erklärt Bürger. Eine allgemeine Richtschnur gibt es nicht. „Wir passen uns individuell an die verschiedenen Bedürfnisse der Kinder und Familien an.“ Individualität wird in der Einrichtung groß geschrieben, das ist überall zu spüren. Nicht nur bei den Mahlzeiten, auch bei der Freizeitgestaltung wird darauf geachtet, dass jeder und jede auf seine oder ihre Kosten kommt.

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Mit viel Einfühlungsvermögen wird auch der Kontakt mit den Eltern gesucht und versucht, Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Konflikte zu lösen. „Die Eltern merken, dass wir zusammenarbeiten wollen und dass sich ihr Familienleben verbessert.“ Die erfahrene Sozialpädagogin und ihr Team können immer wieder Erfolge verbuchen. Fast immer gelingt es, dass wieder Stabilität in den Familien hergestellt werden kann.

„Solche Möglichkeiten und Anlaufstellen bräuchte es flächendeckend noch viel mehr“, sind sich Bürger und der Leiter des SOS Kinderdorf Burgenland, Marek Zeliska, einig. Der Zuspruch sei da und die Notwendigkeit werde zunehmen, so die Prognose der Experten.

Manuela bleibt vorerst bis zum Ende des Schuljahres in der Tagesbetreuung. Hier hat sie auch schon Freundschaften geschlossen. Manche von ihnen dauern an, auch wenn die Kinder die Tagesbetreuung nicht mehr brauchen.