Innovatives Recycling: Windradgondel zum Tiny House umgebaut
Von Paul Haider
Auch Windräder gehen irgendwann in Pension. Für eine "V80 2MW"-Turbine war es nach 20 Dienstjahren im Windpark Gols so weit. In ihrer Laufzeit hat die Windkraftanlage 73 Gigawattstunden Ökostrom erzeugt - rein rechnerisch genug, um den Jahresbedarf von 29.000 Haushalten zu decken.
Ende 2023 ging das Windrad vom Netz. Es musste für das "Repowering" des Windparks mit neuen, leistungsstärkeren Anlagen Platz machen und wurde abgebaut. Spätestens jetzt stellt sich die Frage, was mit den wertvollen Komponenten einer solchen Anlage nach dem Rückbau geschehen soll.
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hatte eine Idee: Warum sollte man eine Windradgondel (das ist der Technikraum ganz oben am Turm) verschrotten, wenn man auch darin wohnen kann?
Vattenfall ist einer der größten Player am europäischen Energiemarkt. Dem Unternehmen gehören unter anderem die meisten Kernkraftwerke in Nordeuropa. Dieser Tage macht das Unternehmen vermehrt mit grünen und nachhaltigen Projekten auf sich aufmerksam. Eines davon wird diese Woche auf der „Dutch Design Week“ in Eindhoven in den Niederlanden ausgestellt: Die zum Eigenheim umfunktionierte Gondel des Golser Windrades.
Das Objekt erüfllt laut Vattenfall alle Anforderungen, die üblicherweise an ein "Tiny House" gestellt werden: "Die Wahl fiel auf eine V80 2MW-Turbine, weil es das erste Modell ist, dessen Gondel groß genug für ein Tiny House ist. Trotz der begrenzten Abmessungen entspricht das Haus den Bauvorschriften und ist daher uneingeschränkt für Wohn- oder Ferienzwecke geeignet", heißt es von Vattenfall.
Wohnfläche: Genug für einen Wiener
Das Maschinenhaus ist vier Meter breit, zehn Meter lang und drei Meter hoch. Die Wohnfläche des Minihauses beträgt somit 40 Quadratmeter - immerhin mehr als die durchschnittliche Wohnnutzfläche pro Person in Wien, die derzeit bei 38 Quadratmetern liegt.
Das niederländische Architektenbüro "Superuse" hat im Auftrag von Vattenfall ein durchaus gemütliches Zuhause entworfen: Wo 20 Jahre lang diverse Gerätschaften zur Stromerzeugung ihren Dienst getan haben, befinden sich jetzt Wohnzimmer, Bad und Küche. Strom produziert die alte Gondel übrigens immer noch: Jetzt allerdings mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Außerdem wurde das Haus mit einer Wärmepumpe und einer Ladestation für E-Mobilität ausgestattet.
Das Thema Nachhaltigkeit zieht sich in dem ungewöhnlichen Tiny House bis hin zur Einrichtung durch: Ein Tisch besteht aus einem recycelten Rotorblatt, die restliche Möblierung ist entweder gebraucht oder ressourcenschonend produziert. Ausreichend Tageslicht strömt durch die gläserne Eingangstür in das gemütliche Miniheim – die befindet sich dort, wo früher der Rotor des Windrades montiert war. Das einzige Fenster (am Dach) und war bis vor kurzem die Einstiegsluke für Techniker..
Noch nicht serienreif
Wer nun auf den Geschmack gekommen ist und gerne in eine Windradgondel umziehen möchte, wird sich noch gedulden müssen: Das Tiny House von Vattenfall ist ein Prototyp, der zeigen soll, was theoretisch möglich ist. Die allermeisten Teile von Windkraftanlagen bestehen aus Stahl und werden nach dem Rückbau eingeschmolzen. Was jedoch, wie schon der Herstellungsprozess, wiederum Energie erfordert und Emissionen verursacht.
Laut Thomas Hjort, Direktor Innovation bei Vattenfall, wäre es besser, das Material mit wenigen Arbeitsschritten wiederzuverwenden: "Wir suchen nach innovativen Wegen, wie man Materialien aus gebrauchten Turbinen möglichst effektiv wiederverwenden kann. Machen Sie also mit möglichst wenigen Anpassungen etwas Neues daraus. Das spart Rohstoffe und Energieverbrauch und stellt sicher, dass diese Materialien noch viele Jahre nach ihrem ersten Einsatz weiterverwendet werden.“
Schwimmende Insel
Das Gondelhaus ist übrigens nicht der einzige „Testballon“, den Vattenfall derzeit steigen lässt: In der Nähe von Amsterdam wurde vor Kurzem eine schwimmende Insel, bestehend aus 33 Meter langen Windrad-Rotorblättern, testweise zu Wasser gelassen. Die Vision dahinter: Neuen Wohnraum schaffen, wo Land knapp ist.