Leichenhalle unter Denkmalschutz: Brutalismus scheidet Geister
Geliebt oder gehasst: Wohl kein anderes Bauwerk im Burgenland polarisiert derzeit auf eine Weise, wie es das Kulturzentrum Mattersburg tut. Das von Architekt Udo Herwig Graf in den 1970er Jahren in Sichtbetonarchitektur errichtete Bauwerk war auch Dienstagabend Thema einer Podiumsdiskussion in der Landeshauptstadt. „Brutalismus im Burgenland“ hieß der Titel der Veranstaltung, zu der die Österreichische Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) lud.
Laut Axel Hubmann von der internationalen Architekturvereinigung Docomomo ist das Kulturzentrum Mattersburg als einer von 150 Bauten der Sichtbetonarchitektur weltweit, im deutschen Architekturmuseum Frankfurt gelistet. „Das Burgenland hätte nun die Chance, international zu reüssieren“, sagt Hubmann und plädiert für den kompletten Erhalt des Gebäudes. Wie berichtet hatte das Bundesdenkmalamt (BDA) eine teilweise Unterschutzstellung des Kulturzentrums bestimmt. Die Vorarbeiten für die Neugestaltung des Gebäudes haben begonnen. Während derzeit Materialproben vorgenommen würden, sollen die Arbeiten für den geplanten Teilabriss im Mai starten.
Neustart
Laut Landesrat und SPÖ-Bezirksparteichef Christian Illedits seien „über einen langen Zeitraum viele Varianten geprüft und alle Optionen, auch die Sanierung, einbezogen worden. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat nochmals intensive Gespräche mit allen Akteuren geführt. Auf dieser Basis wurde dann ein Neustart in Angriff genommen, der sowohl die Anliegen des Denkmalschutzes als auch die Anforderungen an ein Kulturzentrum völlig neuen Zuschnittes berücksichtigt“. Das sei „unterm Strich für das Land und die zukünftigen Nutzer die beste Lösung.“. Bis Herbst 2021 soll das KUZ neu fertig sein, 15,6 Millionen Euro werden investiert.
Doch damit sind die Diskussionen rund um die Brutalismus-Bauwerke im Land wohl lange noch nicht beendet. Nicht nur weil die architektonische Stilrichtung der 1960er und 1970er Jahre im Burgenland eine besonders hohe Dichte an Bauten aufweist. Seit der Ausstellung „SOS Brutalismus. Rettet die Betonmonster!“ im Vorjahr im Frankfurter Architekturzentrum, ist ein Hype um diese Architektur entbrannt. „Noch vor einigen Jahren als Bausünden der Nachkriegszeit abgetan, erfahren brutalistische Bauten derzeit in den (sozialen) Medien eine Hochblüte“, schreibt Sabine Weigl vom BDA in einem wissenschaftlichen Beitrag.
Leichenhalle
Noch nicht klar ist, ob das Hallenbad in Neusiedl am See unter Denkmalschutz gestellt wird. Wie der KURIER berichtete, hatte sich der Gemeinderat Ende des Vorjahres dagegen ausgesprochen. Derzeit werde der Fall geprüft, heißt es aus dem BDA.
Seit 2016 setzt sich das BDA verstärkt mit den Gebäuden des Brutalismus in Österreich auseinander und prüft laufend qualifizierte Objekte auf deren Denkmaleigenschaften. So wurden vor Kurzem etwa auch die Aufbahrungshallen in den mittelburgenländischen Gemeinden Kaisersdorf und Deutschkreutz unter Denkmalschutz gestellt. Für Bürgermeister Manfred Kölly ist das „unverständlich: „Ich kann ja verstehen, dass das Kulturzentrum Mattersburg teilweise unter Denkmalschutz gestellt wird und befürworte den Erhalt historischer Gebäude. Aber bei einer Leichenhalle?“
Die geplanten Investitionen für die Sanierung der in die Jahre gekommene Leichenhalle habe man seitens der Gemeinde jedenfalls aufs Eis gelegt. „Wenn die Halle baufällig werden sollte, dann bauen wir eben eine neue“, sagt Kölly.
Keine Erhaltungspflicht für Objekte Denkmalschutz
Im Burgenland stehen laut Bundesdenkmalamt (BDA) etwa 50 Objekte der Nachkriegsmoderne unter Denkmalschutz, insgesamt sind es 2.086. Dazu zählen die Bauten des Brutalismus, die österreichweit vor allem in den 1960er und 1970er Jahren errichtet wurden. Vornehmlich der Staat ließ die Gebäude im Sakral- und Schulbereich sowie bei Ämtern und Kultureinrichtungen bauen.
„Im Burgenland gibt es eine besonders hohe Dichte an brutalistischen Bauten“, sagt Landeskonservator Peter Adam. Grund dafür sei der große Nachholbedarf an öffentlichen Gebäuden im Burgenland gewesen. Dazu zählen das Seelsorgezentrum sowie das KH in Oberwart, das Sparkassengebäude in Mattersburg, das Schul- und Sportzentrum in Eisenstadt oder das Hallenbad in Neusiedl am See, um nur einige zu nennen. Das KUZ Mattersburg war das erste burgenländische Kulturzentrum, das 1976 eröffnet worden war. 2017 wurde es teilweise unter Denkmalschutz gestellt. Das bedeute, so Sabine Weigl vom BDA in ihrem wissenschaftlichen Beitrag, dass dem KUZ „eine gesellschaftliche Aufmerksamkeit sicher ist. Gleichzeitig bedeutet das jedoch nicht, dass der Brutalismus als Teil des kulturellen Erbe Österreichs anerkannt wird“.
Werde ein Gebäude unter Schutz gestellt, bedeutet das nicht, dass der Eigentümer eine Erhaltungspflicht hat, erläutert Adam. Für mehr Leistungen zugunsten des Denkmalschutzes plädiert er für mehr steuerliche Anreize zugunsten der Eigentümer.