Chronik/Burgenland

Doppelhäuser im Park der Hirmer Direktorenvilla

Dass es in Siegendorf eine Zuckerfabrik gab, ist auch mehr als 30 Jahre nach deren Schließung noch vielen Burgenländern geläufig. Von der Zuckerfabrik im nahen Hirm, die Anfang der 1940er Jahre geschlossen wurde, wissen nur noch wenige.

Und außerhalb der 1.000-Einwohner-Gemeinde mit ihren 400 Arbeitsplätzen ahnt kaum jemand, welches architekturgeschichtliche Juwel das Ende der Fabrik überdauert hat: Die frühere Direktorenvilla der Zuckerfabrik in einem mehr als 11.000 Quadratmeter großen Park in der Hirmer Villagasse. Der zweigeschossige Bau im Heimatstil wurde in den Jahren 1909/1910 nach Plänen des Architekten W. Post erbaut, weiß die Historikern Susanne Steiger-Moser, die ein Werk über die österreichische Zuckerindustrie verfasst hat. Die Villa war ursprünglich Bleibe des Direktors der Zuckerfabrik, Richard Rothermann (siehe Zusatztext).

Doppelhäuser im Park

Im Vorjahr hat die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG) die Liegenschaft von der Industriellenfamilie Pichler (Berndorf AG) gekauft. Die Villa befinde sich in einem „guten Zustand und ich habe der Verkäuferin versprochen, dass sie erhalten bleibt“ sagt OSG-Vorstandschef Alfred Kollar im KURIER-Gespräch.

Der größte Bauträger im Burgenland plant im Park wenige, dafür aber gediegenere Doppelhäuser zu errichten. Ein Baumgutachter soll helfen, möglichst viel des alten Baumbestands zu erhalten. Die Villa könnte zu einem Wohnhaus mit mehreren Wohnungen werden.

Die Gemeinde möchte zudem auch eine neue Volksschule im Park unterbringen, die OSG baut und die Gemeinde least das Gebäude, so der Plan von Bürgermeisterin Inge Posch-Gruska (SPÖ). Sie ist zuversichtlich, das neue Schulgebäude trotz der Pleite der Commerzialbank umsetzen zu können – die alte Schule für knapp 70 Kinder ist desolat. Hirm hatte 220.000 Euro auf einem Girokonto der örtlichen Filiale der Bank, fast ebenso viel Geld steckte in einer Gesellschaft zur Baulanderschließung, die vor 20 Jahren mit der Commerzialbank gegründet worden war.

Aber auch ohne Schule würde die OSG am Vorhaben festhalten. Baubeginn für die 6 bis 7 Doppelhäuser soll Mitte 2021 sein. Kosten: 4 Millionen Euro.

Auf Skepsis stoßen die Pläne nur bei bibliophilen Hirmern. Denn Hermann Broch, einer der bedeutendsten Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts, der auf einer Stufe mit Robert Musil oder Elias Canetti steht, war von 1909 bis 1923 mit der Hirmer Industriellentochter Franziska Rothermann verheiratet und verbrachte einige Zeit in der Villa. Und das Bundesdenkmalamt? Auf KURIER-Anfrage heißt es, man prüfe noch. Kollar sagt, man habe sich schon geeinigt: „Die Villa steht nicht unter Denkmalschutz, aber sie wird von uns geschützt“.

Zucker aus Hirm

Der aus Hamburg stammende Zuckersieder Daniel Peter Rothermann errichtete 1850  mit dem Bayern Conrad Patzenhofer in Hirm eine Zuckerfabrik. Zwei Jahre später baute Patzenhofer in Siegendorf ein Werk, Rothermann blieb in Hirm.

Anfang der 1940-er Jahre verfügte die NS-Verwaltung, dass die kurz zuvor modernisierte Fabrik  geschlossen wurde. Übrig blieben einzelne Gebäude, darunter ein markantes mit Bogendach, das heute als Lager genutzt wird.