Terrazzo: Der Boden, der ewig hält
Von Dorothe Rainer
Terrazzo, den Namen hat man doch schon irgendwo mal gehört? Oma weiß es sofort: So nannte man den Steinboden im Stiegenhaus des Zinshauses, in dem sie aufgewachsen ist.
Doch mittlerweile wissen auch jüngere Generationen wieder, was mit dem italienischen Namen für Bodenbelag gemeint ist. Vor allem seine typische, gesprenkelte Optik feiert ein Revival. Das mosaikähnliche Muster macht sich neuerdings auf Böden von großen Wohnungen und Villen breit, zieht sich durch hippe Bars mit 50er-Jahre-Flair und findet sich nicht zuletzt auf diversen Wohnaccessoires in großen Möbelhäusern wieder.
Allerdings ist Terrazzo so viel mehr als bloßes Retro-Design. Die Geschichte dieses traditionellen Werkstoffes aus Kalk oder Zement, gemixt mit Gesteinssplittern reicht nämlich bis in die Antike (siehe Kasten) und hat über die Jahrtausende viele interessante Interpretationen durchgemacht.
Qualität
Vor allem als Bodenbelag ist Terrazzo bekannt und geschätzt. Auch in Österreich hat diese spezielle Version eine lange Tradition, wie die gelernte Terrazzomacherin Gabriele Stuhlberger von Miromentwerk erzählt. Die Firma gibt es seit mittlerweile fast 100 Jahren und gute und weniger gute Zeiten erlebt.
Geblüht hat das Gewerbe vor allem im letzten Jahrtausend, als die meisten öffentlichen Gebäude wie Schulen, Ämter oder Museen, aber auch Stiegenhäuser von Zinshäusern der Jahrhundertwende, Wohnungen und Palais mit dem strapazierfähigen und optisch ansprechenden Böden ausgelegt wurden. Er galt damals und gilt heute wieder als etwas Besonderes.
In der Nachkriegszeit hatte der Steinboden mit der typischen Musterung an Image eingebüßt. Aus Preisgründen wurde er damals oft aus fertig geschliffene Formatplatten verlegt, anstatt wie ursprünglich üblich in Handarbeit vor Ort hergestellt. Die Folge: Terrazzo galt ab da als verstaubtes Massenprodukt. Das wird ihm aber absolut nicht gerecht, sofern er von einem echten Profi entworfen und verlegt wird.
Allerdings hatte der damalige Imagewandel Auswirkungen auf die gesamte Branche. Waren es 1970 noch 35 Firmen, sind heute nur noch einige wenige echte Terrazzomacher in Wien übrig. „Obwohl das Handwerk der Terrazzo-Verlegung ein eigener Beruf ist, gibt es für die Ausbildung von Lehrlingen einfach zu wenig Aufträge“, bedauert Stuhlberger und befürchtet, dass die traditionelle Handwerkstechnik so ganz verloren gehen könnte. Damit es nicht soweit kommt, hat sie sich dafür eingesetzt, dass das Handwerk in das Verzeichnis der UNESCO für Immaterielles Kulturerbe aufgenommen wird. 2017 ist es ihr gelungen.
Auftragslage
Ein Terrazzoboden ist arbeitsintensiv, zeitaufwendig und kostspielig in der Herstellung. Er wird vor Ort in einer Mischmaschine hergestellt. Ähnlich einer Kuchenmasse werden die Steine mit Bindemittel sowie Kalk gemischt, auf den Boden aufgetragen und danach gewalzt. Nach dem mehrtägigen Trocken steht der Schliff an.
Einen feinen Terrazzo muss man sich leisten können und wollen. „Er liegt in der Preisklasse eines hochwertigen Parketts oder Marmorbodens“,so Stuhlberger und betont die Langlebigkeit und Strapazierfähigkeit des Materials. Neben dem Verlegen von ganzen Böden in Wohnungen oder Villen sind es vor allem Restaurierungen, die das Geschäft heute ausmachen. „Wir werden immer öfter geholt, um alte Böden, die viele Jahrzehnte unter Linoleum oder Holz gelegen haben, zu begutachten und zu restaurieren. Die Leute wissen die Qualität eines Terrazzo wieder zu schätzen“, freut sich die gelernte Steinmetzmeisterin.
Echtes Handwerk
In ihrem Büro in der Wiedner Hauptstraße stapeln sich Schaustücke der alten Handwerkskunst, nahezu jedes Muster ist möglich. „Unser Terrazzo ist Handarbeit, also keine Massenware und wir verwenden ausschließlich mineralische Zutaten“, erklärt Stuhlberger. Durch verschiedenfarbige Steinsorten sowie durch Einfärbung des Estrichs sind unzählige Optiken möglich. Die österreichische Kundschaft bevorzugt allerdings weiß sowie Farbkombination mit Schwarz und Grau.
Die hohe Kunst des Terrazzo sind die zusätzlichen Mosaiksteinmuster, die von Hand in die Bodenflächen eingearbeitet werden müssen.
Aufwand und Fläche bestimmen letztlich den Preis. Ein großer Vorteil dieses Bodenbelags ist die nahezu fugenlose Verlegung. Ein echter Terrazzo kann matt geschliffen oder auf Hochglanz poliert werden, was derzeit sehr gefragt ist.
Mit dem Mid-Century-Einrichtungstrend steigt die Nachfrage nach den Steinböden und junge Designer wie Max Lamb (maxlamb.org) sorgen für einen wahren Terrazzo-Boom und machen das einstige „Amtsmaterial“ zu einem echten Trendsetter.
Diesen und viele andere Artikel können Sie ab sofort im neuen KURIER-Magazin WOHNEN nachlesen. Das Magazin, das den aktuellen Trends in Interieur, Bad und Küche nachgeht, gibt es um 4,90 € im Fachhandel oder versandkostenfrei über magazin@kurier.at