Völlig neuartige Dusche: "Das Wasser zelebrieren und erleben"
Von Oliver Scheiber
Der Salzburger Michael Neumayr lebt und arbeitet als Designer in Los Angeles. Sein Werk umfasst u.a. Möbel, aber auch Industriedesign und Produkte wie Aquamoon, eine völlig neuartige Dusche.
Wie kommt man auf die Idee, eine Dusche wie „Aquamoon“ zu entwickeln?
Michael Neumayr: Ich habe in meiner Karriere unzählige Bäder gestaltet und mich dabei immer wieder gefragt, warum man sich weit mehr vom Design der Duscharmatur leiten ließ, als von der Kraft und den einzigartigen physische Eigenschaften von Wasser. Bis vor Kurzem waren Duschen ein reiner Funktionsgegenstand und selbst Luxusregenduschen, ließen im Prinzip Wasser durch Düsen senkrecht auf den Körper fallen. Wasser wurde regelrecht gezähmt. Duschköpfe die mit mehr Funktion ausgestattet waren, waren aus meiner Sicht of unansehnlich. Mein Ziel war es das Wasser, als das kostbarste Gut das wir haben, zu zelebrieren und mich voll dem Erleben von Wasser auf seine natürlichste Weise zu widmen. Mich interessierte weit mehr, wie sich das Wasser anfühlt, als eine beeindruckte Form zu schaffen. Form not only follows function but also feeling.
Wie lange dauert der Schritt von der ersten Idee bis zur Serienreife? Wie läuft dieser Prozess ab?
Um etwas so außergewöhnliches wie Aquamoon zu schaffen, musste ich meine normale Herangehensweise komplett in Frage stellen. Für gewöhnlich heißt es im Produktdesign: Du hast eine Problemstellung und dafür suchst Du pragmatisch eine funktionale, formschöne Lösung. Das war der ganz falsche Ansatz. Ich stellte mir die Frage: "Was möchte ich erleben”. Das begann zuerst mit einer Recherche, wie sich Wasser in unterschiedlichen physischen Umgebungen bewegt. Was passiert in einer Vortex. Wie verhält sich das Wasser, wenn es über eine Felswand herunterkommt, wie bildet sich ein Tropfen etc. Mit digitalen Animation und später durch die Entwicklung verschiedene Prototypen, haben wir versucht, diese natürlichen Phänomene zu reproduzieren. Der "proof of concept” wurde in meiner Werkstatt in Los Angeles im Geheimen und sehr empirisch entwickelt. Viel Handarbeit, viel Probieren und Experimentieren. Das hieß Formen für verschiedene Tiefziehteile zu entwickeln und jede Menge 3D gedruckter Teile, um unterschiedliche Effekte zu erzeugen.
Es war vielmehr ein Mit-dem-Wasser-Spielen und -Experimentieren, als dass ich einen ganz klare Vorstellung hatte, was ich genau möchte. Ich versuchte konkrete Erinnerungen nachzuempfinden, wie ich z.B. als Kind beim Bergsteigen in einem Wasserfall badete. Das erhebende Gefühl, wenn die Atmung ansteigt in dem Moment, wenn ich in den fulminanten Strom des Wasserfalls eintauche. Oder im Regenwald in Bali einen ungestümen Regenschauer zu erfahren, oder das tief entspannende Gefühl eines Shirodara, eines ayurvedischen Stirngusses, nachzuempfinden. Viel dabei passierte z.T durch Zufall, anderes durch akribisches Feintunen. Der Entwicklungsprozess von der ursprünglichen Idee bis zum voll funktionsfähigen Prototypen dauerte ca. ein Jahr. Danach übernahm das Innovationsteam von Dornbracht, die Entwicklung, um Aquamoon in Serienreife zu bringen. Dieser Prozess dauerte lediglich 2 Jahre bis das Produkt zum ersten mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Angesicht der Komplexität der Entwicklung eine beeindruckende Geschwindigkeit.
Wasser hat für mich immer eine spezielle Faszination dargestellt.
Was ist das Besondere an der Aquamoon?
Aquamoon in Funktion zu sehen, ist bereits sehr beeindruckend. Es tut sich aber eine ganz andere Welt auf, wenn man zum ersten Mal die unterschiedlichen Wasserdarreichungsformen persönlich erlebt hat. Ich habe bisher noch niemanden gesehen, der danach nicht vollkommen bewegt war. Was Aquamoon ausmacht ist, dass die Performance alle Regeln, die wir bisher kannten, bricht. Ich nehme kein wirkliches Produkt mehr wahr sondern ein reines Sinneserlebnis. Ich kann nicht sehen woher das Wasser kommt oder wie es artikuliert wird, sondern blicke in eine endlos tief scheinende mit Licht erfüllte Öffnung in der Decke, die mit meiner Wahrnehmung spielt. Aquamoon erlaubt es mir Wasser ganz pur und unverfälscht zu erleben.
Das Duscherlebnis bekommt eine interaktive Variante. Aquamoon verfügt über vier sowohl in Form als auch in Intensität ganz unterschiedliche Strahlarten oder Wasserdarreichungsformen. Für normal steht ich schlicht unter der Dusch und lass mir das Wasser auf dem Kopf prasseln. Bei Aquamoon bin ich viel direkter involviert. Ich bewege mich mehr, um den multisensorischen Effekt, den die einzelnen Wasserdarreichungen auf die verschiedenen Körperzonen erzeugen, ganz gewusst zu erleben. Für Aquamoon ATT, der digitalen Variante von Aquamoon, haben wir spezielle Wasser-, Licht- und Aromatherapie-Choreographien kreiert, die sogenannten Signature Treatments, bei denen ich je nach Befinden, ein Duscherlebnis wählen kann, dass mich tief entspannt, vitalisiert oder energetisiert. Die Dusche verfügt über vier Strahlarten: „Aqua Circle“ und „Tempest“ vermitteln das Gefühl natürlichen Regens; „Collar“ ist dem Erleben eines echten Wasserfalls nachempfunden. „Embrace“ hüllt den Körper vollständig in Wasser – einzig der Kopf bleibt frei. Die Programme steuern und mischen die Strahlarten, modulieren die Wassermenge und Temperatur, das Licht und den Duft. Die Technologie erlaubt dem Kunden sogar eigene persönliche Choreographien zu schaffen, etwas was bisher einzigartig ist.
Etwas provokant gefragt: Für viele Menschen ist der Sinn und Zweck einer Dusche eigentlich,sich zu waschen. Erfüllt die Aquamoon diese Funktionalität und warum muss bzw. sollte eine Dusche eigentlich mehr sein, als ein reiner Gebrauchsgegenstand?
Natürlich können Sie mit Aquamoon auch ganz normal duschen, und sich die Haare waschen, nur erlaubt es auch ein Duschen der anderen Art. Sie können beispielsweise eine Wasserdarreichungsform wählen, die wir Aquacircle nennen. Hier können sie duschen, ohne dass Ihre Haare nass werden und nur Schultern und Körper mit Wasser benetzt werden. Das kann so sonst keine Dusche. In unserer hektischen Zeit werden wir non-stop mit Information überladen und sind konstantem Stress ausgesetzt. Wir haben stets zu wenig Zeit . Aquamoon hilft mit, in der kurzen Zeit, die ich im Bad verbringe, mich schneller vom Alltagsstress zu entspannen, den Geist abzuschalten, ganz bei mir zu sein und in eine Welt des Wohlbefindens einzutreten. Das ist doch wonach sich viele von uns sehnen.
Michael Neumayr ist ein international tätiger Designer und Produktentwickler, der in Los Angeles lebt und arbeitet. Seine Bandbreite reicht von Möbeln, Lichtsystemen, Messeständen, bis zu Duschsystemen und einem Sportgerät für Physiotherapie.
Eine Auswahl seiner Arbeit ist in einer Dauerausstellung im Chicago Athenaeum, Museum of Architecture and Design, zu sehen.
Zu seinen Kunden zählen unter anderem BMW, Dornbracht, Hiller Group, Lincoln oder Autoscout24.
In einem Produkt wie der Aquamoon steckt sicher viel Technik. Braucht man spezielle Voraussetzungen im Bad oder könnte ich das System auch sofort bei mir einbauen?
Grundsätzlich kann Aquamoon bei einem Platzangebot von 150cm Länge x 150cm Breite x 30cm Höhe unter Verwendung gängiger Technik eingebaut werden. Die Premium Variante, die elektronische Aquamoon ATT, benötigt aufgrund ihrer gehobenen Ausstattung und zusätzlichen Komponenten wie z.B. das Duftmodul etwas mehr Platz in der Umgebung der Dusche, wo diese Komponenten verbaut werden können.
Sie sagen, Sie arbeiten nach dem Feng-Shui-Prinzip. Was ist Feng Shui an der Aquamoon bzw. generell in ihrem Design?
Feng Shui, die chinesische Harmonielehre, beschäftigt sich damit, Räume und auch Produkte so zu gestalten, dass ein harmonisches, ruhiges Umfeld entsteht. Hierbei werden unterschiedlichen Formen unterschiedliche Energien oder Qualitäten zugeschrieben. Man versucht männliche und weibliche Formen oder Energien ins Gleichgewicht zu bringen. Aquamoon setzt in der heute sehr maskulinen, gradlinigen und oft scharfkantigen Formensprache, die wir in Bädern finden, einen Gegenakzent indem ihre Formensprache, obwohl puristisch und minimalistisch, sich auf runde und fließende Konturen beschränkt, die einen weicheren, weiblichen Aspekt in die Badlandschaft bringt, um hier ein größere formale und energetische Balance zu schaffen.
Gibt es in ihrem Schaffen als Designer einen roten Faden?
Ob wohl ich gelernter Produktdesigner bin, wo der Fokus eher auf der Gestaltung eines solitären, oft von seiner Umwelt entkoppelten Produktes liegt, interessierte mich schon immer eine holistischere Betrachtung der Gestaltung unseres gesamten Lebensumfeldes. Ich orientiere mich daran, unsere menschlichen Bedürfnisse besser zu verstehen. In diesem Kontext versuche ich räumliche Erlebnisse zu schaffen, wo die Produkte und die Umgebung in der diese Produkte verwendet werden eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Mein Ziel ist es, Dinge und Räume zu kreieren, die sich nicht an kurzlebigen Trends orientieren bzw. sich rein auf formale Schönheit beschränken, sondern nachhaltige, funktionale und dauerhafte Lösungen sind, bei denen immer das menschliche Wohlbefinden im Vordergrund steht.
Die Bandbreite ihrer Arbeit geht von Möbeln, Lichtsystemen bis zu Duschsystemen. Womit beschäftigen Sie sich am liebsten bzw. woran arbeiten Sie gerade?
Es gibt in meiner Arbeit kaum etwas was wofür ich mich nicht begeistern kann, so hatte ich in meiner Karriere das Privileg an den unterschiedlichsten Produkten und Erfindungen zu arbeiten. Von Babytöpfen über medizinische Geräte bis hin zu kompletten Häusern und den Produkten, die wir darin verwenden.
Aber Wasser hat für mich immer eine spezielle Faszination dargestellt. Ich lebe in Kalifornien, wo Wasser ein rares Gut ist. Da entwickelt man zwangsläufig eine höheres Bewusstsein um den Wert dieser Lebensquelle, insofern beschäftige ich mich sehr viel damit, wie wir in unserem Lebensumfeld mit Wasser umgehen und wie wir mit Hilfe von Wasser unsere Gesundheit und generelles Wohlbefinden steigern können. Mich interessieren die Rituale die in den verschiedensten Kulturen mit Wasser in Verbindung gebracht werden, seien dies Baderituale oder wie diese Wasser zur Steigerung des generellen Wohlbefindens, sei das körperlich, geistig oder spirituell, einsetzen. Ich versuche, mein angesammeltes Wissen in neue Designkonzepte einfließen zu lassen.